Immer weniger Jugendliche entscheiden sich für eine Ausbildung im Handwerk. Dabei haben sich viele Betriebe im vergangenen Jahr als krisenfest herausgestellt. Nicht wenige Betriebe, die von der Corona-Pandemie schwer getroffen sind, bilden trotzdem weiter aus. Beispiel Kreishandwerkerschaft Altötting-Mühldorf: Sie bündelt elf Innungen und repräsentiert in der Region Inn-Salzach über 500 Unternehmen.
Gute Perspektiven im
Bauhandwerk
In der Bau-Innung, in der Berufe wie Maurer, Fliesenleger, Trockenbauer, Stahlbetonbauer und Straßenbauer vertreten sind, hat es im laufenden Ausbildungsjahr laut Innungsmeister Peter Heiß aus Neumarkt-St. Veit im Vergleich zu den Vorjahren einen starken Einbruch gegeben: Wurden im Ausbildungsjahr 2019/20 noch rund 40 Ausbildungsverträge abgeschlossen, waren es im laufenden, von der Pandemie gezeichneten Jahr, nur noch 24. Und es sei absehbar, dass sich dies auch im kommenden Jahr nicht ändern werde, so Heiß.
Dabei seien Ausbildungsstellen ausreichend vorhanden, zudem das Lehrgehalt und auch die Verdienstaussichten in vielen Berufen auf dem Bau sehr gut. Die Zeiten, in denen jahreszeitenbedingt Mitarbeiter ausgestellt würden, seien in vielen Betrieben ebenfalls vorbei. Dass die Rückkehr zur Meisterpflicht, wie sie etwa im Fliesenlegerhandwerk beschlossen wurde, dem Beruf wieder Auftrieb geben und auch die Ausbildung interessanter machen kann, hat sich laut Peter Heiß bis dato leider noch nicht bestätigt. Dass aktuell Bildungsmessen ausfallen, sei hingegen für die Nachwuchssuche in seiner Branche nicht so gravierend: „Unserer Erfahrung nach hat vor allem das persönliche Umfeld – Eltern, Verwandtschaft, Freundeskreis – großen Einfluss auf die Berufsentscheidung.“ Vermehrt kommen Bewerbungen auch von jungen Menschen, die die Ausbildung als Sprungbrett nutzen wollen, etwa für ein duales Studium: „Das können wir aber nur bedingt leisten. Wir brauchen Leute, die unser Handwerk ausüben.“
Schreinerhandwerk
gespalten
Für Obermeister Stefan Mooshuber aus Oberflossing sind die fehlenden Praktika durchaus ein Hemmschuh bei der Suche nach Auszubildenden. Von vielen Kollegen weiß er, dass sich zu wenige Schulabgänger um eine Lehrstelle im Schreinerhandwerk bewerben. Das sei auch schon vor der Pandemie so gewesen. Dabei habe gerade das Handwerk gezeigt, dass es der Krise trotzt und viele Betriebe bisher gut durch die Pandemie gekommen sind, zumindest das Bauhandwerk. „Unsere Branche ist hier zwiegespalten. Während das Bauhandwerk weiterhin gut läuft, ist der Laden- und Messebau von den Schließungen massiv betroffen.“ Aber auch einige Betriebe mit guter Auftragslage hielten sich aufgrund der unsicheren Gesamtlage beim Thema Ausbildung zurück. Sein Tipp: „Firmen anrufen und schon mal einen lockeren Kontakt herstellen, sodass man dann der Erste am Start ist, wenn Praktika wieder möglich sind.“
Metaller-Azubis
werden übernommen
Obermeister Anton Hudlberger kann diese Aussagen für das Metallhandwerk nur bestätigen. Auch hier war es schon vor der Pandemie schwierig, junge Menschen für eine Ausbildung zu begeistern. Waren es 2008 in allen Ausbildungsjahrgängen in der Region noch 330 Metallbauer und Feinwerkmechaniker, befanden sich 2020 nur noch 137 in Ausbildung. Nicht zuletzt sei auch die Konkurrenz durch Industriebetriebe, die extrem stark werben, hoch. Dabei sprechen gerade die Handarbeit und die individuellen Gestaltungsmöglichkeiten für eine abwechslungsreiche und vielseitige Ausbildung im Handwerk. Schweißen, Schrauben, Schmieden – Metallbauer/innen fertigen Gitter, Tore, komplexe Konstruktionen oder auch Fahrzeugteile und können in unterschiedlichen Fachrichtungen ausgebildet werden. Gearbeitet werde im Handwerk auch trotz Pandemie: Die Azubis sind weiterhin im Betrieb und können ihr Handwerk – mit den entsprechenden Hygienemaßnahmen – lernen. „Nach dem Abschluss werden in der Regel alle jungen Facharbeiter von den Betrieben übernommen“, so Hudlberger.
Virtuelle Messe in
Wasserburg
Aus Sicht von Obermeister Christian Albersinger von der Metall-Innung Rosenheim kam auf den regelmäßigen messeähnlichen Berufsorientierungsveranstaltungen, die an den meisten Mittel- und Realschulen stattfanden, ein Großteil der Kontakte für spätere Ausbildungsverhältnisse zustande: „Diese Veranstaltungen sind natürlich coronabedingt ausgefallen. Zum Glück gibt es jetzt eine erste virtuelle Berufsinformationsveranstaltung an der Realschule Wasserburg, die sehr erfolgreich verlaufen ist und so wie es aussieht auch Nachahmung findet.“ Initiiert und aufgebaut wurde das Portal von einem Metallhandwerksbetrieb, der ein starker Ausbilder in Wasserburg ist.
Fachverkäuferinnen
gefragt
Dass auch Fachverkäuferinnen und Metzger krisensichere und systemrelevante Berufe sind, ist für Obermeister Josef Berghammer aus Ampfing von der Metzgerinnung keine Frage: „Wir konnten zum Glück mit den entsprechenden Auflagen weiterhin verkaufen.“ Mehr Anfragen von Bewerbern, ob für den Ausbildungsberuf Fachverkäufer/in oder Metzger/in, habe es deshalb leider nicht gegeben. Für Handwerksbetriebe sei es aktuell schwierig, ihr Handwerk zu präsentieren: Online-Messen als Alternative zu analogen Veranstaltungen funktionierten da nur bedingt, so Berghammer: „Schließlich geht es ja ums Handarbeiten und das kann man am besten zeigen, wenn man Handgriffe vorführt und auch Produkte herzeigen kann.“ Zum Glück gebe es für sein Handwerk nach wie vor die Berufsschule in Altötting: „Wir brauchen den Nachwuchs und da ist eine Berufsschule in der Region eine wichtige Voraussetzung.“
Mit offene Ausbildungsplätzen, die höchstwahrscheinlich nicht besetzt werden, rechnet auch Bäckermeister Anton Eicher für das Bäckerhandwerk, sowohl bei den Bäckern als auch bei den Verkäuferinnen: „Dabei ist der Beruf der Fachverkäuferin im Lebensmittelhandwerk, Schwerpunkt Bäckerei, ein sehr abwechslungsreicher, schöner Beruf.“ vk