Raum für das Wesentliche

von Redaktion

Tiny House wird in Deutschland zum Trend

Es geht auch anders mit dem Wohnen. Einfacher, kleiner, mobiler. Und nicht zuletzt ökologischer. Der Trend zum Minihaus – dem sogenannten Tiny House – schwappte zur Zeit der Finanzkrise 2008 aus den USA auch nach Deutschland. Gut zehn Jahre später ist aus dem Trend eine bundesweite Bewegung geworden, die auch für aktuelle gesellschaftliche Kernthemen steht: Nachhaltigkeit, Rückkehr zu konsumlosen Werten und einem bewussten Lebensstil.

Raus aus dem
Hamsterrad

Weniger ist mehr, dieser Meinung ist auch Regina Schleyer, Vorsitzende des Verbandes Tiny House Deutschland. Wer auf durchschnittlich 15 bis 30 Quadratmetern allein oder zu zweit wohne, habe gar keinen Platz für Unnötiges. Doch was treibt Menschen an, oft ohne finanzielle Not sich so eine Bleibe als festen Wohnsitz zu suchen? „Besonders häufig vertreten ist die Altersgruppe zwischen 45 und 55 Jahren“, erklärt Schleyer. Das seien Menschen, die „raus wollten aus dem Hamsterrad“, Menschen, die seit 20, 30 Jahren in ihren Berufen schufteten und sich nun die Frage stellten, ob da nicht noch etwas anderes kommen müsste. Etwas mit mehr Freiheit, mehr Selbstbestimmung, mehr Relevanz.

„Der Wunsch nach Autarkie ist bei vielen schon sehr stark“, erzählt Schleyer. Zu große Illusionen über das freiheitliche Leben als Tiny-House-Besitzer solle man sich allerdings nicht machen. Will man sich – ob das Häuschen nun auf Rädern oder fest in der Erde verankert ist – für längere Zeit an einem Ort niederlassen, gilt das Tiny House vor dem Gesetzgeber als normales Wohngebäude und muss zahlreiche baurechtliche Vorschriften erfüllen. So muss das Haus auf ausgewiesenem Bauland stehen und angeschlossen sein an Strom, Wasser, Kanalisation und Straße.

Erschwerte Bedingungen für Häuser, die oft kleine Selbstversorgungseinheiten sind, mit Solaranlage, elektrischer Heizung und eingebauten Wassertanks. Aber längst keine Hinderungsgründe für die Community. Immer mehr Siedlungen entstehen in ganz Deutschland, Städte und Kommunen drücken in Sachen Baurecht mittlerweile oftmals ein Auge zu. So hat etwa der Stadtentwicklungsausschuss in Erding bei München beschlossen, dass auf der Fläche der früheren Stadtgärtnerei eine Siedlung mit knapp 20 Minihäusern ausgewiesen werden soll. Auch im Niedersächsischen Celle entsteht eine Siedlung für Kleinsthäuser, in Nordrhein-Westfalen sind die Weichen für eine Tiny-House-Siedlung in Warendorf gestellt.

Der Trend nimmt Fahrt auf, das merkt man auch im wirtschaftlichen Bereich. Die Schreinerei Tiny House Diekmann im nordrhein-westfälischen Hamm etwa hat seit drei Jahren volle Auftragsbücher. Das 40-Personen-Team hat sich spezialisiert auf die Kleinstwohnhäuser, die mit meist 22 bis 25 Quadratmetern Wohnfläche auf anderthalb Ebenen alles beinhalten, was man zum Leben braucht. Ein Raumteiler zwischen Wohnraum und Küche fungiert als Treppe und Stauraum, dahinter ist Platz für eine Schlafgelegenheit und einen Baderaum mit Dusche.

Als „wahre Raumwunder“ bezeichnet auch die Vorsitzende des Tiny House Verbandes die Minihäuser. „Von außen sehen sie sehr klein aus und dann ist innen trotzdem unglaublich viel Platz.“ Platz, der laut Schleyer ausreiche zum Leben – und Raum gebe für das Wesentliche.

Christoph Kastenbauer

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