Bis spätestens 2050 will die Europäische Union CO2-neutral sein. Die EU-Kommission nimmt deshalb nun auch den privaten Immobiliensektor ins Visier. Das Ziel: Über neue Vorschriften für Banken bei der Kreditvergabe soll eine gute Ökobilanz zur Wertsteigerung einer Immobilie beitragen.
Der sogenannte Green Deal soll Europa bis Mitte des Jahrhunderts zu einer klimaneutralen Zone machen. Dafür fließen Hunderte Milliarden Euro in Infrastrukturprojekte und grüne Technologien. Doch die Entwicklung zeigt: Allein mit öffentlichen Maßnahmen den Klimatrend herbeiführen zu wollen, reicht nicht. So pulvert etwa der Gebäudesektor in Deutschland noch circa 120 Millionen Tonnen des schädlichen Gases pro Jahr in die Luft. Und dieser Sektor ist zu einem großen Teil in Privatbesitz.
Klimawende: Anreize
bisher zu klein
Zwar schafft der Staat für Privateigentümer Anreize von außen: So bietet die Förderbank KfW für energieeffizientes Bauen und Sanieren zinsgünstige Kredite mit Tilgungszuschüssen aus Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi). Doch für die entscheidende Klimawende im Gebäudesektor scheint dieser Anreiz zu klein. Die EU-Kommission geht nun einen Schritt weiter. Im Rahmen des „Aktionsplans nachhaltige Finanzen“, der den Green Deal flankiert, sollen Banken in Zukunft prüfen, wie energieeffizient Häuser und Wohnungen sind, die sie per Kredit finanzieren. Der EU-Aktionsplan schreibt zwar nicht ausdrücklich vor, Immobilienwerte auch an die Klimafreundlichkeit des jeweiligen Objekts zu koppeln. Allerdings müssen dem Plan zufolge Banken vom kommenden Jahr an detailliert darüber aufklären, wie klimafreundlich sie agieren. Die Motivation, klimabewusste Wohnobjekte priorisiert und „wertschätzender“ zu behandeln, dürfte folglich groß sein. Auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat die Branche dazu aufgerufen, bei Kreditvergaben genauer hinzusehen. Nachhaltigkeitsrisiken könnten „den Wert von Immobilien beeinträchtigen“, teilt die BaFin bereits Ende 2019 offiziell mit.
Nachhaltigkeitsrisiken
prüfen
Laut BaFin geht es darum, neue Bewertungssysteme für Immobilien zu etablieren. Kreditprüfer sollen einkalkulieren, „dass ein ansonsten identisches Gebäude in gleicher Lage“ weniger wert ist, wenn der Standard der Energieeffizienz niedriger ist als bei dem entsprechenden Vergleichsobjekt mit hoher Energieeffizienz. Einfach gesagt: Wessen Haus in Zukunft optimal gedämmt, isoliert und am besten noch mit einer Fotovoltaik-Anlage ausgestattet ist, dürfte in der Beurteilung des jeweiligen Kreditinstituts deutlich an Wert gewinnen. Die Motivation, die daraus für Eigentümer entsteht, liegt auf der Hand. Ob der Plan die Trendwende hin zu einem klimafreundlichen Gebäudesektor herbeiführt, bleibt abzuwarten. „Am Ende bestimmen immer noch Angebot und Nachfrage den Preis“, betont Marktforscher Stephan Kippes vom Immobilienverein Deutschland (IVD). Verlierer könnten die sein, die ihre Wohnung oder ihr Haus per Bankkredit finanzieren. Denn sinkt der Wert der Immobilie, verlieren diese Schuldner an Bonität und damit die Möglichkeit, weitere Kredite auf ihr Eigentum aufzunehmen.
Christoph Kastenbauer