Immer mehr Menschen sind geimpft, erste Lockerungen werden umgesetzt und auch Urlaubsoptionen tun sich auf. Wirken sich diese Entwicklungen auf den Arbeitsmarkt aus? Was erwarten Arbeitsmarktexperten für die Region?
„Durch die in Aussicht gestellten Lockerungen erwarten wir tatsächlich Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt in unserer Region“, sagt Jutta Müller, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Traunstein. Jedoch müsse man hier die Branchen mit ihren Betrieben detailliert betrachten: „Bei Hotels und Gaststätten, die eine Außengastronomie, beispielsweise Biergärten oder Terrassen anbieten können, werden sich die Lockerungen gewiss auswirken, weil die persönliche Bewirtung der Gäste wieder gegeben ist. Hier wird voraussichtlich auch wieder das Personal aus der Kurzarbeit oder aus der Arbeitslosigkeit geholt werden.“
Bei einem Lokal, das keine Außengastronomie hat und auf das To-go-Geschäft angewiesen ist, werde aber wohl der bisherige Zustand anhalten. „Wir hören aus den Rückmeldungen dieser Gastronomen, dass sich damit nicht der übliche Umsatz generieren lässt. Womöglich bleiben Angestellte dann auch so lange in Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit, bis die Gastronomie wieder vollumfänglich geöffnet wird.“
Handel gibt ein zweigeteiltes Bild
Beim Handel sieht Jutta Müller ein zweigeteiltes Bild des Arbeitsmarktes: „Der Lebensmitteleinzelhandel war ja nicht geschlossen, weshalb dort auch keine Kurzarbeit beantragt wurde.“ Der Handel mit Bekleidung hingegen erlebte ein Auf und Ab mit diversen Öffnungsszenarien wie „Click & Collect“ oder „Click & Meet“ unter Auflagen: „Dass diese Arbeitgeber zurückhaltend sind mit Stellenausschreibungen oder dem Angebot eines Ausbildungsplatzes ist nachvollziehbar.“
Bessere Beurteilung nach Pfingsten
Im Mai konnte die Agentur für Arbeit Traunstein laut Aussage von Jutta Müller noch keinen signifikanten Zugang an Stellenangeboten verzeichnen: „Nach Pfingsten werden wir das besser beurteilen können. Da wir in einer Urlaubsregion leben, wird der zu erwartende Ferientourismus die Umsätze in vielerlei Bereichen wieder steigen lassen. Betriebe, die Kurzarbeit wegen Lieferengpässen beantragt haben, werden von den Lockerungen nicht profitieren können, diese sind durch Handelswege beeinflusst, weniger durch Kundenzulauf oder -nachfrage.“
Mit Blick auf den Tourismus zeigt sich auch Dr. Thomas Geppert, Geschäftsführer des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands, erleichtert, dass Betriebe endlich wieder loslegen können: „Wir sind froh, dass nach über einem halben Jahr Schließungen touristische Übernachtungen wieder möglich sind.“ Urlaub in Bayern sei nicht nur wunderschön, sondern eben auch sicher: „Es ist nicht verständlich, wenn Gäste ins Ausland reisen, wo wir auch hier dank Hygienekonzepten und Teststrategien einen sicheren Urlaub anbieten können.“
Notbremse bleibt Unsicherheitsfaktor
Wie sich diese Öffnungen auf den Stellenmarkt auswirken, könne er nicht vorhersagen: „Die Abhängigkeit von der Inzidenz bleibt ein Unsicherheitsfaktor“, so Geppert. Greift die Notbremse, drohen Schließungen. „Wenn wir es schaffen, zu mehr Normalität zurückzukommen, brauchen wir Personal.“ Sinken die Auflagen, rechnet er auch wieder mit mehr Stellenangeboten. Schließlich habe es in der Branche vor Corona einen Fachkräftemangel gegeben: „Wir gehen davon aus, dass das auch wieder so werden wird“, sagt Thomas Geppert.
Herausforderung für Tagungshotels
Vor besonderen Herausforderung stehen hingegen Business- und Tagungshotels. Hier stellt sich für viele Betriebe die Frage, wie sich die Arbeitswelt in den kommenden Jahren entwickeln wird und ob Geschäftsreisen, Tagungen und Konferenzen in dem gleichen Maße wie vor der Pandemie stattfinden werden.
IHK sieht positive Signale
„Dank steigender Impfquoten und sinkender Infektionszahlen können wir endlich den Lockdown Schritt für Schritt hinter uns lassen. Für die Unternehmerinnen und Unternehmer in der Region bedeuten die Lockerungen branchenübergreifend wieder mehr Planungssicherheit – vor allem auch in Personalfragen. Gerade im Tourismus- und Freizeitbereich sowie in der Hotel- und Gastrobranche werden die Betriebe nach der langen Zwangspause zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen. Beim Neustart aus der Krise sind die Unternehmen auf motiviertes Personal angewiesen“, sagt IHK-Vizepräsidentin und Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses Ingrid Obermeier-Osl.
Dasselbe gelte aber auch für die Industrie, die aufgrund guter Auftragslage in vielen Bereichen top ausgebildete Fachkräfte benötigt: „Das wird sich auch positiv auf den Arbeitsmarkt auswirken“, ist sich Obermeier-Osl sicher.
Rückläufige Zahlen bei Kurzarbeit
Jens Wucherpfennig, Leiter der IHK-Geschäftsstelle Rosenheim, weist beim Thema Arbeitsmarkt auf die bayernweite Konjunkturumfrage hin: „Sie kommt zum Ergebnis, dass angesichts anziehender Nachfrage der Fachkräftebedarf wieder ansteigt. Erstmals seit einem Jahr zeigt der Saldo der Beschäftigungspläne keinen Abwärtstrend an.“ Laut der Umfrage möchten 18 Prozent der Unternehmen in Bayern Personal einstellen, ebenso viele aber auch Stellen streichen. Für Wucherpfennig deutet die Umfrage darauf hin, dass sich der bayerische Arbeitsmarkt weiter stabilisiert: „Bereits jetzt sehen wir in der Region Südostoberbayern rückläufige Zahlen bei der Kurzarbeit. Die Wirtschaft setzt darauf, dass sich der Trend mit weiteren Lockerungen und der damit verbundenen Planungssicherheit für die Unternehmen fortsetzen wird.“ vk