Anbindehaltung: Ankündigung sorgt für Aufruhr

von Redaktion

Tierwohl in der bäuerlichen Landwirtschaft: Auf flexible Lösungen kommt es an

„Wir brauchen einen Ausstieg aus der ganzjährigen Anbindehaltung, und zwar so zügig wie möglich!“ Diese Worte aus einer Regierungserklärung von Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber sorgen für Wirbel bei den Landwirten. Denn ein Ende der Anbindehaltung würde für so manchen Betrieb das Aus bedeuten. Von den rund 30000 Milchviehbetrieben in Bayern betreiben etwa 14000 Anbindehaltung.

Kühe, die in einem hellen Stall auf einem goldenen Strohbett frei herumlaufen – so stellt sich der Konsument von Milch, Joghurt oder Käse die ideale Tierhaltung vor. Beim Schlagwort „Anbindehaltung“ dagegen denkt der Verbraucher sofort: „Das ist schlecht!“ Oft hat er dabei Kühe in Ketten in einem muffigen, dunklen Stall vor Augen. Doch bei der Frage nach einer tierwohlgerechten Milchviehhaltung gibt es nicht nur schwarz oder weiß.

Bei Landwirt Bernhard Niederthanner aus Nußdorf stehen 40 Milchkühe im Stall. Sie sind über sogenannte „Gelenkhalsrahmen“ am Hals fixiert. Eine andere Haltung gibt der Kuhstall aus dem Jahr 1986 nicht her. Doch das muss kein Widerspruch zum Tierwohl sein, findet der Bauer. Auf einer Standbreite von 1,20 auf 1,70 Meter stehen die Kühe auf weichen Gummimatten, können sich hinlegen. „Das hat sogar Vorteile gegenüber einem Laufstall, weil es keine Rangkämpfe gibt“, so Niederthanner. Auch rangniedrige Tiere haben so ihre Ruhe. Auslauf bekommen die Kühe trotzdem. Von April bis Oktober dürfen sie auf die Weide – zunächst tagsüber, im heißen Sommer dann nachts. Im Winter werden die Tiere regelmäßig gestriegelt. Alle Milchkühe im Stall von Niederthanner haben einen Namen, sind nicht bloß eine Nummer.

„Wenn das Management stimmt, ist es egal, welche Haltung man hat“, findet er. Gerade diese Kombihaltung sei tiergerecht und eine „schöne Lösung“. Jeder Landwirt sei bemüht, wirtschaftlich zu arbeiten. Um den Betrieb und die Familie zu versorgen, aber auch, um gesunde Lebensmittel zu produzieren. Deswegen sei es im Interesse eines jeden Landwirtes, dass es den Tieren gut gehe. Denn nur dann stimme auch die Milchleistung.

„Uns bedeuten die Tiere sehr viel“, betont er. Davon können sich auf dem Betrieb Niederthanner auch die Feriengäste überzeugen, die dort „Urlaub auf dem Bauernhof“ machen. Noch nie sei es ein Thema gewesen, dass die Tiere im Stall in Anbindehaltung stehen.

Umgebaut wird der Stall demnächst trotzdem. Aber nicht angetrieben durch die Diskussion über die Anbindehaltung, sondern, um sich für die Zukunft aufzustellen. Niederthanners Sohn Bernhard, ein Absolvent der Meisterschule Landwirtschaft in Rosenheim, wird den Betrieb übernehmen und plant einen Laufstall mit Roboter-Melktechnik. „Damit wird das Tierwohl sicher noch mal gesteigert, aber ich habe auch jetzt kein schlechtes Gewissen.“

Für viele seiner Kollegen wäre ein kurzfristiges Aus der Anbindehaltung ein echtes Problem. Etwa, wenn die Hofnachfolge nicht gesichert ist und sich der Neubau eines Laufstalles wegen ein paar Jahren bis hin zur Rente nicht mehr rentiert. Oder, wenn der Betrieb mitten im Dorf liegt und angrenzende Weiden fehlen. Wenn sie keinen Platz haben, um den Hof umzubauen, oder kein Geld, um zu investieren.

Ohne Hof fehlt dem
Dorf die Seele

„Das würde den Strukturwandel ganz massiv befördern“, sagt Josef Bodmaier, der Kreisobmann des Bauernverbands Rosenheim. Es seien ja gerade die kleinen Betriebe, die die Kulturlandschaft hierzulande prägten. Wenn es in einem Ort keinen Bauernhof mehr gibt, „dann fehlt dem Dorf die Seele.“ Außerdem stehen bei einer Aussiedlung oft das Baurecht und der Emissionsschutz im Weg.

Für den Landwirt, der 60 Milchkühe in Laufstall und Weidehaltung hat, ist die Diskussion nicht neu. Aktuell sieht er sie aber vom Wahlkampf hinsichtlich der anstehenden Bundestagswahl getrieben. Unter den Positionen, die die Landwirtschaftsministerin in ihrer Regierungserklärung vertrat, seien einige „schmerzhaft“. „Das ist ein falscher Schritt“, so Bodmaier. Denn es gebe keine klaren Aussagen, wie genau der Ausstieg aus der Anbindehaltung vorgesehen sei. „So können wir Bauern nicht planen“, sagt der Kreisobmann.

Fortsetzung nächste Seite

Artikel 6 von 6