Die aktuelle Erhebung des Immobilienvereins Deutschland (IVD) scheint für die angespannte Wohnungssituation im Freistaat gute Nachrichten bereitzuhalten. So steigt laut des IVD-Marktforschungsinstituts trotz Pandemie die Anzahl der fertiggestellten Wohnungen in ganz Bayern. Doch eine schlechte Nachricht bleibt: Denn gebaut wird vielfach nicht dort, wo die Wohnungen besonders knapp sind – also etwa vorwiegend in der Zuzugsregion Oberbayern.
Neuer Wohnraum nicht da, wo er benötigt wird
In Oberbayern sank die Zahl der Baufertigstellungen demnach sogar um 1,3 Prozent, während etwa Niederbayern (ein Plus von 18 Prozent) und die Oberpfalz (ein Plus von 18,7 Prozent) deutlich zulegen konnten. „Der bayernweite Anstieg der Baufertigstellungszahlen ist grundsätzlich sehr erfreulich. Er findet aber oft nicht dort statt, wo die Wohnungen besonders dringend benötigt werden, sondern dort, wo Bauland vorhanden und vor allem noch bezahlbar ist,“ betont auch Stephan Kippes, Leiter des IVD-Marktforschungsinstituts. Oberbayern ist gerade wegen seiner Nähe zu der Landeshauptstadt sowie seines hohen Freizeitwerts seit Jahren eine enorme Wachstumsregion. Der große Zuzug stellt die sogenannte Metropolregion München allerdings immer mehr vor das Problem, nötigen Wohnraum mit erschwinglichen Preisen zur Verfügung stellen zu können.
In anderen Regionen Bayerns entspannt sich die Lage am Wohnungsmarkt immer mehr – gerade auch vor dem Hintergrund eines sich wieder im Aufschwung befindenden Baugewerbes. Wurden laut IVD Süd 2019 bayernweit 51726 Wohnungen errichtet, nahm die Zahl 2020 um 7,2 Prozent auf insgesamt 55471 Wohnungen zu. Dabei verzeichneten alle bayerischen Regierungsbezirke – bis auf Oberbayern – Zuwachsraten bei den Baufertigstellungen. Auch die Zahl der Baugenehmigungen stieg 2020 bayernweit um 4,3 Prozent an. Wurden 2019 insgesamt 64710 Wohneinheiten zum Bau freigegeben, erhöhte sich die Zahl 2020 auf 67494 genehmigte Wohnungen. Die stärksten Zunahmen lagen dabei in Niederbayern (Plus von 12,5 Prozent) und Unterfranken (Plus von 10,2 Prozent).
Dass gerade regionale Bauprogramme greifen können, sieht man am Beispiel München. Während im übrigen Oberbayern die Wohnungsbauprojekte zurückgingen, verzeichnete die Landeshauptstadt zwischen 2019 und 2020 einen Anstieg von 10,5 Prozent. Zu erklären ist diese Abweichung auch mit der Dringlichkeit, mit der in München Wohnraum geschaffen werden muss. Förderungen und Programme der Stadt machten hier vieles möglich. Der Anreiz in München zu bauen, ist für Unternehmen sowieso enorm hoch, da dies aufgrund weiterhin steigender Preise am Markt besonders lukrativ ist.
IVD sieht Handlungsbedarf beim Bund
Dennoch bleibt der Regierungsbezirk Oberbayern vor dem Hintergrund der vielerorts bestehenden Wohnungsknappheit ein Problem. Kippes sieht die Verantwortung dafür auch bei der Bundesregierung: „Um die Wohnraumknappheit, insbesondere in den Ballungsräumen, etwas lindern zu können, muss sich der Aufwärtstrend bei den Baufertigstellungen dauerhaft verfestigen. Statt allerdings positive Anreize für die Errichtung des dringend benötigten Wohnraums zu schaffen, setzt die Bundesregierung etwa mit dem Anfang Mai 2021 verabschiedeten Baulandmobilisierungsgesetz leider auf weitere Regulierungen, die die Planungs- und Bauprozesse verlangsamen, Investitionen in den Wohnbau hemmen und die Eigentumsbildung erschweren.“
Trotz seiner Kritik sieht Kippes für die nahe Zukunft eine positive Entwicklung am Markt. „Die gute Auftragslage in der Bauwirtschaft sowie die steigenden Baugenehmigungszahlen sprechen dafür, dass die Baufertigstellungszahlen 2021 auf einem vergleichbar hohen Niveau wie im vergangenen Jahr bleiben könnten“, erklärt der Marktforscher. Möglicherweise könnte dann diese positive Entwicklung auch in Oberbayern vermehrt spürbar werden. Christoph Kastenbauer