Der Wohnwagenhersteller Dethleffs sieht sich gerne als Pionier des Caravanings. Immerhin hat Unternehmensgründer Arist Dethleffs schon 1931 einen ersten Reisewagen gebaut, mit dem er auf Verkaufstour zu seinen Kunden ging. Nun hat die Marke ein neues, selbstgestecktes Ziel erreicht. Ein Wohnwagen mit eigenem elektrischen Antrieb schaffte es im Schlepp eines Audi e-tron ohne nachzuladen von Isny im Allgäu bis nach Riva am Gardasee über den Alpenhauptkamm. Und bis an die Südspitze des oberitalienischen Gewässers hätten die verbliebenen 20 Prozent Batterieleistung wohl auch noch gereicht.
Alexander Leopold, Geschäftsführer bei Dethleffs, sieht die Elektrifizierung des Wohnwagens als Meilenstein auf dem Weg zu nachhaltiger Camping-Mobilität. Bereits 2017 hatte das Unternehmen einen Reisemobil-Prototypen mit Akku und Elektromotor gezeigt. Dessen Reichweite war allerdings nicht der Rede wert.
Beim Caravan entstand darauf die Idee, ihn mit Batterien auszustatten, die wiederum das Elektrofahrzeug vor der Deichsel mit zusätzlicher Energie beliefern sollten. Denn dessen Verbrauch verdoppelt sich selbst mit einem Leichtbau-Caravan am Haken , die Reichweite sinkt um die Hälfte. Das Projekt erwies sich als eher problematisch, erst ein Kontakt und die nachfolgende Kooperation mit dem Automotive-Entwickler ZF in Friedrichshafen führte zu einem Eigenantrieb des Wohnwagens.
Im Juni 2021 startete das Dethleffs-Audi-Gespann in Isny. Die Route führte über Garmisch-Partenkirchen, den Fern- und Brennerpass, bis schließlich nach 386 Kilometer Fahrtstrecke Riva am Lago die Garda erreicht wurde. 4870 Höhenmeter bezwang das Gespann an Steigungen, 5480 Höhenmeter rollte es im Gefälle hinab und rekuperierte dabei eine Menge Energie. Ein Leichtgewicht ist das Anhängsel keineswegs. Zwar wiegt der Leichtbaucaravan Coco nur 800 Kilogramm, die beiden vorn und hinten in seinem Chassis eingebauten Akkus mit jeweils 40 kWh Kapazität bringen jedoch zusätzliche 600 Kilogramm an Bord, weitere acht Zentner steuern die Leistungselektronik und Wandler bei. Die Elektrifizierung steigert das Leergewicht des Caravans um rund eine Tonne.
Die beiden Radmotoren des Anhängers leisten jeweils 30 kW und geben 90 Newtonmeter Drehmoment-Maximum ab. Eine Mitfahrt im Prototypengespann beweist erstaunliches Beschleunigungsvermögen. Auch die Schlingerneigung der Kombination wird durch den gezielten Krafteinsatz der beiden E-Maschinen zuverlässig unterbunden. Ein Modul in der Anhängerkupplung erkennt Pendelbewegungen frühzeitig und steuert mit präzisem und unterschiedlichem Krafteinsatz der E-Motoren entgegen.
Auch ohne Zugwagen kann der Elektro-Wohnwagen bewegt werden, im Schritttempo bezwingt er dann sogar bis zu vier Zentimeter hohe Barrieren, lässt sich auf diese Weise auf dem Campingplatz mühelos in die reservierte Parzelle rangieren. Problematisch wird dagegen das Nachladen. Die aktuellen Ladeparkplätze sind nicht auf Gespanne, sondern nur auf Solofahrzeuge ausgelegt. Die Parkräume sind zu klein.
Keine rechtliche Basis
Ohnehin gibt es im Augenblick noch keine rechtliche Basis für einen Großserieneinsatz des elektrifizierten Caravans. Denn aktuell sind angetriebene Anhänger in der EU nicht erlaubt, auch eine mögliche Führerscheinregelung steht noch aus. aum/mk