Gegen den Verfall

von Redaktion

BGH-Urteil bekräftigt Sanierungspflicht auch bei Problemimmobilien

Es ist ein Gesetz aus längst vergangener Zeit, allerdings immer noch mit der Kraft ausgestattet, so manches Sanierungsprojekt scheitern zu lassen – bisher. Der Paragraf 22 des Wohneigentumsgesetzes geht auf die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zurück, als Eigentümer zerstörter Häuser von der Pflicht befreit wurden, diese sanieren zu müssen. In den Jahrzehnten danach wurde dieser Paragraf daraufhin vermehrt auch auf sogenannte „Problemimmobilien“ angewandt – vereinfacht gesagt: Wer lange genug sein Eigentum leer stehen ließ und so dem Verfall übergab, konnte sich schließlich um die Sanierungspflicht herumdrücken. Diesem Vorgehen hat nun der Bundesgerichtshof in einem aktuellen Urteil eine Absage erteilt.

„Mangelnde Instandhaltung oder Überalterung entbinden Eigentümer ebenso wenig von ihren Sanierungspflichten wie hohe Kosten“, erklärte in ihrem Urteil die Vorsitzende Richterin des fünften Zivilsenats, Christina Stresemann. Nur Zerstörung durch punktuelle Ereignisse könne dafür Grund sein. Als Beispiel nannte die Richterin Brände, Überflutungen und Explosionen.

Der umstrittene Paragraf besagt im Wortlaut: „Ist das Gebäude zu mehr als der Hälfte seines Wertes zerstört und ist der Schaden nicht durch eine Versicherung oder in anderer Weise gedeckt, so kann der Wiederaufbau nicht beschlossen oder verlangt werden.“

Graubereich im
Gesetzestext

Die bisherige Streitfrage bei diesem Gesetzestext: Tritt die Befreiung auch dann in Kraft, wenn der Zerstörungsgrad des Objektes erst durch jahrzehntelangen Verfall eingetreten ist? Hier gab es bisher keine klare Antwort – und diesen Graubereich nutzte manche Eigentümerin zur Sanierungsverweigerung. Mit dem nun erfolgten klaren „Nein“ aus Karlsruhe ist dieser Graubereich nun Geschichte. Gesamtgesellschaftlich ist dies sicher eine gute Nachricht, gerade in Zeiten, wo in puncto Klimaschutz und angestrebter CO2-Neutralität Sanierungen im Objektbestand immer mehr zentrale Bedeutung erhalten. Auch sanierungswillige Eigentümergemeinschaften, die bisher am Widerstand einzelner gescheitert waren, dürften sich über die Entscheidung des BGH freuen.

Keine Sorge vor Mieterhöhung

Dies sieht auch Gerold Happ so, Bundesgeschäftsführer von Haus & Grund Deutschland. Der Deutschen Presse-Agentur erklärte Happ, Eigentümer könnten nun nicht mehr darauf spekulieren, eine Immobilie verfallen zu lassen, um an ihrer Stelle etwas Neues zu bauen. Ob deshalb nun eine Sanierungswelle auf Deutschland zukäme und so auch Mieter sich um Mieterhöhungen sorgen müssten, bleibe abzuwarten. Allzu viele Gedanken müssen sich Mieterinnen allerdings nicht machen – dringend nötige Sanierungen rechtfertigen in der Regel keine Mieterhöhung. Christoph Kastenbauer

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