Bankrott durch Erbfall

von Redaktion

In deutschen Boomregionen bleibt oft nur der Verkauf der elterlichen Immobilie

Bei Verlust der Eltern oder eines Elternteils kann für die Kinder trotz des schmerzhaften Ereignisses auch etwas Positives folgen: Das Erbe der elterlichen Immobilie, die diese oft über Jahrzehnte abbezahlt haben. Freuen können sich die direkten Nachkommen allerdings mittlerweile in vielen Regionen Deutschlands nicht mehr – im Gegenteil: Wegen der dortigen Wertexplosionen bei Immobilien droht ihnen aufgrund der enormen Erbschaftssteuer sogar der finanzielle Bankrott. Um diesen abzuwenden, bleibt oft nur der Verkauf der Immobilie und somit der Auszug aus dem lieb gewonnenen Zuhause.

Gentrifizierung wegen Steuerbelastung

„Man kann das Verdrängung nennen“, sagt Hans-Joachim Beck. Der ehemalige Vorsitzende Richter am Finanzgericht Berlin-Brandenburg leitet mittlerweile die Abteilung Steuern der Bundesgeschäftsstelle des Immobilienvereins Deutschland (IVD). Seit Langem betrachtet er die Entwicklung am Immobilienmarkt mit den stark steigenden Preisen in manchen Regionen mit Sorge. „Der negative Effekt ist, dass die angestammte Bevölkerung diese Gebiete allmählich verlässt und dafür wohlhabende Menschen hinziehen.“ Ein Effekt zunehmender Gentrifizierung, der Menschen zwingt, ihr Zuhause aufzugeben – und das allein aufgrund zu hoher Erbschaftssteuern.

Das Phänomen tritt vor allem in Regionen in Bayern südlich von München und im direkten Umland der bayerischen Landeshauptstadt auf. Aber auch Sylt, Bad Homburg und Stuttgart sind laut Beck betroffen. An der Spitze der teuersten Landkreise steht laut aktueller Erhebung von Postbank Wohnatlas mit einem Quadratmeterpreis von 6796 Euro Nordfriesland, dicht gefolgt von dem bayerischen Landkreis Miesbach (6756 Euro), Starnberg (6642 Euro) und dem Landkreis München (6584 Euro).

An sich hat der Gesetzgeber Vorkehrungen getroffen, um den Zwangsauszug direkter Nachkommen aufgrund zu hoher Steuerbelastung zu verhindern. So können Kinder nach dem Tod der Eltern steuerfrei im elterlichen Zuhause wohnen bleiben – allerdings nur, solange die Wohnfläche 200 Quadratmeter nicht übersteigt. Ist diese etwa 300 Quadratmeter groß bei einem Wert von 1,2 Millionen Euro, müssen die Erben 400000 Euro versteuern. Bei mehreren direkten Nachkommen gibt es ein weiteres Problem: Auch wenn ein Kind in dem Elternhaus wohnen bleibt, muss es die Geschwister mit dem anteiligen Gegenwert des Hauses ausbezahlen. Hier können am Ende Millionenbeträge stehen, die kaum ein Erbe bar in der Tasche hat.

Wut auf den Gesetzgeber wächst

Derzeit wächst bei den Menschen vor Ort die Wut auf den Gesetzgeber. So erklärt Stephan Kippes, Leiter des IVD-Marktforschungsinstituts Süd: „Es ist eine Tragik, wenn jemand aufgrund der Erbschaftssteuer nicht mehr in seinem Elternhaus wohnen bleiben kann. Der Preis einer Immobilie ist erst mal nur ein Buchwert, davon kann sich der Erbe nichts kaufen. Aber dem Finanzamt ist das egal.“ Ein Vorschlag Kippes: Freibeträge über einen längeren Zeitraum hinweg zu staffeln, um so die Steuer finanzierbar zu machen. Ob und wie Vorschläge dieser Art beim Bund Gehör finden, bleibt allerdings abzuwarten.

Christoph Kastenbauer

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