Im Autoquartett, einem Spiel, das noch analog und ohne Bildschirm oder wischen funktionierte, war er der absolute Hauptgewinn: Der Mercedes C 111 wurde 1969 auf der IAA in Frankfurt vorgestellt und stürmte auf Anhieb die Wunschliste vieler. Wenig später stand eine überarbeitete Version im März 1970 auf dem Genfer Automobilsalon und weckte noch mehr Begehrlichkeiten. Der persische Schah schickte damals seinen Botschafter nach Stuttgart, um sich ein Exemplar reservieren zu lassen.
Zwar bekam der Monarch keinen C 111, doch als Ausgleich für die Absage entstand in Zusammenarbeit mit Porsche ein Einsitzer für den Thronfolger. Andere Zeitgenossen schickten ihre Bestellungen mit Blankoschecks, doch sie alle wurden enttäuscht. Der C 111 bleib ein Versuchsträger und ein Markenbotschafter, der noch heute alle Blicke auf sich lenkt.
Seine Entwicklungslaufbahn begann der C 111 zunächst als C 101 und sollte helfen, „das Oma-Image“ der Marke abzustreifen.
Trotz der deutlichen Aussagen, dass der C 111 als „rollendes Labor“ entwickelt wurde, kursierten abenteuerliche Gerüchte über einen Preis von 25000 D-Mark in den Gazetten. Intern hatten die Preisentwickler bei Mercedes-Benz einen möglichen Preis von 50000 bis 60000 D-Mark errechnet. Auch diese Kalkulation sollte sich später als nicht realisierbar herausstellen, und so blieb dem C 111 nur die Rolle eines – allerdings äußerst erfolgreichen – Markenbotschafters, Versuchsträgers und Rekordwagens.
Daran konnte auch das begeisterte Urteil von Aufsichtsrat Friedrich Karl Flick nichts ändern. Für den milliardenschweren Mercedes-Aktionär war „der C 111 absolut sensationell. Der C 111 stellt jedenfalls alles bisher Dagewesene in den Schatten.“ Allerdings bemängelte er den hohen Ölverbrauch, und „übrigens hat der Wagen eine recht starke Abgasfahne.“
Das Aus für eine Serienproduktion war beschlossen und verkündet, und eigentlich könnte die Geschichte des neben dem 300 SL aufregendsten Mercedes zu Ende sein.
Im Allgemeinen verschwinden Studien wie der C 111 glanzlos von der automobilen Bühne oder werden sogar verschrottet. Doch der C 111 begann nun seine zweite Karriere. Zunächst als Markenbotschafter trat der Flügeltürer weltweit auf Messen auf und schaffte es so sogar bis nach Moskau und nach Ost-Berlin.
Irgendwann war auch die Zeit des Markenbotschafters abgelaufen, und die dritte und vierte Karriere des verhinderten Traumwagens konnte beginnen. Als Versuchsträger experimentierten die Stuttgarter Entwickler mit einem Kunststoff-Fahrwerk, das Bayer Leverkusen erdacht hatte, sich aber in Praxistests als nicht serientauglich erwies. Und schließlich, und erst damit endete die Laufbahn des C111 endgültig, mutierte der Sportwagen zum Rekordfahrzeug und sendete die Botschaft, zu welchen Top-Leistungen die Stuttgarter Entwicklungsabteilung fähig war. Im süditalienischen Nardo fiel eine Bestleistung nach der anderen, und erst nachdem der C 111 auch diese Mission erfüllt hatte, wanderte er endgültig ins Museum.
Modell ausführlich vorgestellt
Während der Mercedes-Benz 300 SL von zahlreichen Autoren in Büchern verewigt wurde, kam der C111 bisher zu kurz. Diese Lücke haben jetzt die drei Autoren Joachim Hack, Wolfgang Kalbhenn und Gerhard Heidbrink geschlossen. Ausführlicher als von dem Trio ist kaum ein Modell vorgestellt worden. Erschienen ist das Buch im Motorbuch-Verlag. aum/ww