Wandern in Georgien

von Redaktion

Das Land mit den tausend Gesichtern entdecken

Als der Autofahrer auf einer Straße bei Mestia seine Geschwindigkeit abbremst, weil sich ein paar Kühe in aller Seelenruhe auf die Fahrbahn begeben, ist da immer noch eine Lücke für die junge Reiterin und ihren Wallach, um die Gruppe in gestrecktem Galopp zu überholen. Auch wenn die Situation für einen Mitteleuropäer befremdlich ist, für Georgien gehört das Miteinander von Mensch und Tier zum täglichen Leben, auch im Straßenverkehr.

Sonnenschein über dem Kaukasus

Da die Mehrheit der eingeflogenen Gäste mit Wanderschuhen ausgestattet ist, interessieren sie sich sowieso weniger für die Verkehrssituation, als für die faszinierende Natur. In Georgien ist man überzeugt: „Als Gott alles Land verteilt hatte, schenkte er das Stück, das er für sich selbst gedacht hatte, den Georgiern.“ So ganz abwegig scheint der Glaube daran nicht, wenn die Sonne über den Kaukasus geklettert ist, die Wildbäche und grünen Höhenzüge in unvergleichlich strahlende Farben taucht.

Man muss nicht Bergsteiger sein, um vom 5047 Meter hohen Kasbek verzaubert zu sein. Die Fahrt zu seinen Füßen lässt indes den Blick vom Dschwari-Kloster auf die ehemalige Hauptstadt Mzcheta zu, die als UNESCO-Weltkulturerbe im Tal des Mtkwari liegt und als religiöses Zentrum gilt. Mzcheta ist umgeben von Kirchen, Klöstern. Sie verdeutlichen die tiefe orthodoxe Religiosität der Georgier.

Nach Nussbaumplantagen führen die Wege zu den begehrten Trekkingrouten am großen Kaukasus. Stepansminda bietet sich als Ausgangsposition an und hält einige Gästehäuser vor, die den westlichen Ansprüchen ähnlich der Jugendherbergen genügen. Wer nicht gleich nach zwanzig Kniebeugen den Gedanken an ein Sauerstoffzelt verschwendet, wird auch den Routen gewachsen sein, die Distanzen von teilweise über zehn Kilometer und über tausend Höhenmeter in sich bergen. Es gibt aber auch immer die Möglichkeit der langsamen Auf- und Abstiege, sowie der Abkürzungen. Die Bergwelt des großen Kaukasus‘ hält viele Varianten offen.

Ideal für Trekkingtouren ist die Region unweit der russischen Grenze. Von 1700 bis knapp über 5000 Höhenmeter erstrecken sich die Wanderwege unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade. Einer der schönsten führt von Stepansminda zur Gergeti-Dreifaltigkeitskirche, die auf einer 2170 Meter gelegenen Anhöhe einen herrlichen Blick auf den Kasbek bietet. Als einer der höchsten Gletscher im Kaukasus ragt er schneeweiß aus der Gebirgskette heraus.

Täler, Bergdörfer, Wasserfälle

Ein saftig grünes Hochtal wird den Wanderern indes im Sno-Tal geboten. Vom Bergdorf Dschuta aus führen Wanderwege auf 2550 und auch 3842 Meter hoch. Flankiert von rauschenden Zuläufen, Wasserfällen und einigen Bergseen werden die Wanderer von landschaftlicher Schönheit geradezu erdrückt. Felsenzacken am Horizont und riesige Rhododendronfelder am Fuße des Bergs Tschauchebi mit 3842 Meter schaffen je nach Jahreszeit eine faszinierende Farblandschaft.

Der Nordwesten Georgiens, mit Mestia als größter Stadt Swanetiens, sind dann auch die vielen Wehrtürme in den Ortschaften nicht mehr zu übersehen. Die zahlreichen Kriege und sogar familiären Auseinandersetzungen machten diese Festungen in den vergangenen Jahrhunderten offensichtlich unentbehrlich.

In Ushguli fühlen sich die Gäste gleich mehrere Jahrzehnte zurückversetzt. Die mittelalterlichen Dörfer zeigen das karge Leben am Rande des Hochgebirges auf. Die rustikalen Bauten sind mit Geröllwegen verbunden. Auf ihnen sorgen Schafe, Schweine und Rinder für einen ständig wechselnden Bodenbelag. Ein beliebter Wanderweg über etwa zehn Kilometer führt von Ushguli zum Adeshi-Gletscher. Immer entlang des Flusses Enguri. Der Gletscher ist dabei immer der Hintergrund eines ständig wechselnden Panoramas.

Ein malerischer Höhepunkt des Landes ist der Martvili-Canyon. Auf dem Abashistskali lässt sich die Canyon-Kulisse zwischen den Felsen bei einem Hauch von Karibik-Feeling genießen. Wer lieber in die Vergangenheit blickt, ist in der Höhlenstadt Uplisziche, unweit von Stalins Geburtsstadt Gori, im 6. Jahrhundert vor Christus angekommen. Hier haben bis zu 5000 Menschen vor unterschiedlichen kriegerischen Auseinandersetzungen Zuflucht gefunden.

Kulinarische Genüsse mit Honig und Nüssen

Die Gastfreundschaft der Georgier beruht nicht nur auf der zuvorkommenden Behandlung der Besucher ihres Landes. Wer an einem der Tische Platz genommen hat, wird den Speisenreichtum zu schätzen wissen. Typisch georgisch sind Nüsse und Honig als Zutaten. Frisches Gemüse und Obst sind ebenso Bestandteile der mehrgängigen Speisenfolgen wie Eier- und Fleischvarianten. Die vielfachen Kräutermischungen sorgen in jeder Küche für die individuellen Geschmacksrichtungen. Knoblauch, Kardamom, svanetisches Salz, Chili, Koriander und Bockshornklee sind häufig bestimmende Gewürze.

Infos im Internet unter www.weltweitwandern.com.

Kurt Sohnemann

Artikel 10 von 11