Ist Untertunneln die Basis für einen Konsens?

von Redaktion

Ein Kommentar von Karin Zehentner

Der Brennerbasistunnel ist eine der größten Baustellen Bayerns, die in den nächsten Jahren auf die Region zukommen. Wer für einen Moment spüren will, was das im Kleinen für den Einzelnen oder die Einzelne bedeutet, der möge sich zum Beispiel an die Baustelle am Brückenberg in Rosenheim erinnern. Man stelle sich vor, was passieren wird, sollte die Schloßberger Brücke über den Inn marode werden.

Solche Baumaßnahmen dulden keinen Aufschub – wie die Italiener aus schmerzlicher Erfahrung in Genua wissen. Wie bitter nötig die Ertüchtigung und der Ausbau der deutschen Bahnnetze ist, das haben wir zuletzt beim Bahnunglück in Garmisch mit Schrecken verfolgt. Verspätungen, Gleisausfall, Maschinen- oder schlimmer noch, Personenschaden: Für Pendler ist das täglich Brot. Aber wir sind nicht allein mit diesem Problem: Wie es um die Bahnnetze weltweit steht, das zeigen Unglücke wie vor wenigen Tagen in Griechenland.

Nun stellt sich die Frage: Was ist zu tun? Und auf welche Art und Weise soll das geschehen? Zunächst gilt es, vor der eigenen Haustür zu kehren. Mein Vater Simon Zehentner, ehemaliger BBV-Kreisobmann im Landkreis Traunstein, pflegte zu erzählen, dass es nach dem Krieg bei den Russen geheißen habe: „Gib einem Deutschen eine Konservendose, und er baut ein Auto daraus.“ Die deutsche Ingenieurskunst ist ein echtes Markenzeichen – oder soll ich sagen, war? Krauss-Maffei wird im Moment von einem chinesischen Manager geführt.

Der innovative, inspirative Geist, die Kunst, großartige Maschinen und Gebäude zu entwerfen: das ist den Deutschen innert. Ich appelliere wirklich an alle da draußen, die ein bisschen technischen Verstand im Kopf haben, sich Gedanken über die Mobilität der Zukunft zu machen! Dazu gehört selbstverständlich das E-Bike, wie es am kommenden Donnerstag, 9. März, in unseren Sonderseiten zum Thema zu lesen sein wird. Dazu gehört die nötige Infrastruktur. Dazu gehören aber vielleicht auch ganz andere Fortbewegungskonzepte – man denke nur an die Stadtseilbahn von Barcelona, an die Schwebebahn von Wuppertal und die Magnetbahn Transrapid – ach, die Idee wurde ja nach Shanghai verkauft. Aber es muss doch noch ein bisschen mehr, ein paar frische Ideen geben? Ich persönlich hoffe ja immer noch auf das Beamen.

Muss nun aber mit den zur Verfügung stehenden Mitteln eine Bahn- und Handelsstrecke ertüchtigt werden, ist dies ein Meisterwerk der Planung. Man will so wenig wie möglich guten Boden, der der Lebensmittelproduktion dienen kann, versiegeln und unbrauchbar machen. Es ist ein Unterschied, ob ich kilometerlange Straßen durch die Wüste baue, oder eine Trasse durch fruchtbaren, guten Ackerboden. Durch eine Landschaft, die anderen zur Erholung dient, und in der Menschen davon leben, dass andere sie besuchen, um in den Genuss frischer Luft, guten Essens, klaren Wassers und erholsamer Gipfel, weiter Seen und beruhigender Wälder zu kommen. Eine schützenswerte Landschaft.

Wie hoch der tatsächliche Bedarf dieser Maßnahme ist, das steht noch nicht fest. Wirtschaft und Politik sagen nun aber, es muss sein. Es geht darum, innerhalb Europas handels-, konkurrenz- und zukunftsfähig zu bleiben. Dass dies auf möglichst humane, umweltverträgliche Art und Weise geschehen muss: Darüber sollten sich alle Beteiligten einig sein. Es geht also darum, Kompromisse zu schließen und zu verhandeln. Der Gedanke, in der Feinplanung auf individuelle Besonderheiten einzugehen, wie es der DB-Chefplaner Matthias Neumaier in einem Interview schildert (4. März 2023, OVB-Heimatzeitungen, Seite 33), macht Mut. Wenn die betroffenen Landwirte andererseits sagen: wenn es schon unbedingt sein muss, dann lieber untertunneln! scheint sich hier ein Weg für gemeinsame Gespräche aufzutun.

Das muss natürlich auch bezahlt werden. Wie können wir es schaffen, dass diese Riesen-Baumaßnahme in unserer Region ein Ergebnis zeigt, das die Landschaft möglichst intakt, die Menschen in ihrem Daheim bleiben lässt und für Mensch, Tier und Erde einen Schritt nach vorne bedeutet? Als Erstes sollte meiner Meinung nach natürlich der tatsächliche Bedarf geklärt werden. Wobei sich hier herausstellen wird, dass diese Maßnahme schlichtweg in einem größeren Rahmen zu sehen ist. Nicht jeder hat etwas davon, wenn Mais geerntet, ein Tier geschlachtet, eine Kuh gemolken wird. Deshalb gilt es dafür zu sorgen, dass möglichst viele, am besten alle Menschen in der Region, am Ende von dem Projekt auch profitieren können.

Letztlich geht es darum, einen Konsens zu finden und sich genau zu überlegen, in welche Technologie, in welche Baumaßnahme genau man so viel Geld stecken möchte. Wenn es darum geht, die Heimat zu schützen und zu erhalten, sollte man nicht anfangen, mit dem spitzen Bleistift zu rechnen – denn der Brennerbasistunnel wird unsere Region für Jahrzehnte prägen. Und ob die Italiener wirklich schneller sind, wie es DB-Chefplaner Neumaier prophezeit? Ich weiß es nicht. Am Ende kommt es nur auf das Ergebnis an. Deutschland ist das Land der Dichter, der Denker und der Erfinder. Darauf vertraue ich.

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