21 Prozent weniger als Männer verdienen Frauen in Bayern pro Stunde – das ergab eine kürzlich veröffentlichte Studie des Landesamts für Statistik. Damit liegt Bayern bei der unbereinigten Lohnlücke sogar drei Prozentpunkte über dem Bundesdurchschnitt. Ein Ergebnis, das erstaunt. Vor allem, wenn man bedenkt, dass das Thema Gleichstellung bzw. Diversity öffentlich so präsent ist wie nie zuvor. Die Statistiker haben allerdings auch eine Ursache gefunden: Hauptgrund für die sogenannte Gender Pay Gap sei, dass Frauen häufiger in weniger gut bezahlten Berufen und auch seltener in Führungspositionen arbeiten. Voraussetzung für besser bezahlte Berufe ist meistens immer noch ein Studium an Universität oder Hochschule. Die OVB-Heimatzeitungen haben deshalb mit Prof. Dr. Brigitte Kölzer gesprochen. Sie ist Frauenbeauftragte an der TH Rosenheim und berichtet von ihren Aktivitäten, einem allgemeinen Dilemma sowie Visionen für die Zukunft.
Wie hoch ist der Frauenanteil an der TH Rosenheim? Und wie widmet sich die Hochschule überhaupt dem Thema Diversity?
„An der TH Rosenheim ist das Thema Diversity schon seit vielen Jahren fest verankert. In einem Team aus drei Professorinnen und mehreren Mitarbeiterinnen widmen wir uns der Gleichstellung und versuchen, den Frauenanteil auf allen Ebenen zu fördern. Im Moment haben wir 35 Prozent Studentinnen an der TH, innerhalb der einzelnen Studiengänge ist der Anteil an Frauen aber sehr ungleich verteilt. So sind es in den gesundheitlichen oder sozialen Fächern über 70 Prozent, in den technischen Studiengängen nicht einmal 20 Prozent. Wir bemühen uns daher seit Jahren, mehr Frauen von MINT-Fächern zu überzeugen.“
Mit welchen Projekten will die TH Rosenheim das erreichen?
„Wir versuchen, verschiedene Gruppen zu adressieren und haben die Projekte auch danach eingeteilt. Zum einen wenden wir uns an die Schulabgängerinnen, die wir zum Beispiel in einer großen Kampagne ab Ende März ansprechen wollen. Wir wollen vermitteln, dass Mädchen sich nicht ausschließlich um Gesundheit und Soziales kümmern sollen, sondern, dass es immer wichtiger wird, dass sie sich auch in den Bereichen Digitalisierung und Nachhaltigkeit engagieren. Genau dafür braucht es technisches Verständnis, das wiederum durch das Studium von MINT-Fächern gefördert wird.
Für unsere Studentinnen bieten wir ein Mentoring-Programm an, bei dem sie von berufstätigen Frauen gecoacht und auf die Anforderungen in der Berufswelt vorbereitet werden. Das Programm startet aktuell wieder im April und wir sind immer dankbar für Mentorinnen, die sich bereit erklären, sich den Studentinnen anzunehmen. Die wichtigste Gruppe ist aber die der Professorinnen: Ihren Anteil konnten wir in den letzten zehn Jahren von zehn auf 27 Prozent erhöhen und wollen ihn mithilfe verschiedener Maßnahmen auch noch weiter steigern. Wir fördern Frauen als Bewerberinnen und haben unter meiner Leitung eine kooperative Kampagne mit anderen Hochschulen entwickelt. Dafür wurden wir sogar schon einmal mit einem Diversity-Award ausgezeichnet.“
Woran liegt es, dass immer noch so wenige Frauen technische Studiengänge und Berufe ergreifen?
„Das liegt zum einen daran, dass wir nicht weit weg sind von traditionellen Strukturen. Natürlich haben wir uns in den vergangenen 50 Jahren weiterentwickelt. Und trotzdem herrscht gesellschaftlich nach wie vor die Meinung, dass Mädchen „doch nichts mit Technik studieren!“ oder nachdem sie Kinder bekommen, aus dem Beruf aussteigen sollten. Allerdings: Wir leben im Jahr 2023 – wer kann es sich hier noch leisten, auf Kosten des Gehalts des Ehemannes zuhause zu bleiben und im Alter mit einer Mindestrente zu leben? Das haben viele Frauen noch nicht verstanden. Grundsätzlich herrscht in Deutschland immer noch ein traditionelles Rollenbild – und das lässt sich auch nicht so schnell ändern. Die Erfolge der Maßnahmen sind derzeit noch überschaubar.“
Was muss sich Ihrer Meinung nach also gesamtgesellschaftlich ändern, damit hier eine Trendwende einkehren kann?
„Wir brauchen moderne und aktuelle Rollenbilder in den sozialen Medien. „Coole Frauen“, die zum Nachahmen animieren. Im Moment beschäftigen sich viele junge Frauen auf sozialen Plattformen zumeist mit Ernährung, Beauty und Sport. Hier bräuchte es eher Vorbilder, die zeigen, was man digital, nachhaltig und technologisch ändern und erreichen kann. Umgekehrt ist das übrigens genauso – sprich Männer zeigen sich eher im technischen Zusammenhang. Mehr Gleichstellung in beide Richtungen wäre hier wünschenswert.
Welches Ziel hat sich die TH Rosenheim in Bezug auf Gleichstellung gesetzt?
„Das Gleichstellungskonzept der Hochschule wird alle fünf Jahre erneuert – 2023 ist es wieder so weit. Wenn man unsere Ergebnisse mit denen von 2018 vergleicht, haben wir den Anteil der Professorinnen erhöhen können. Das gesteckte Ziel in Bezug auf mehr Studentinnen für die technischen Fächer konnten wir aber leider nicht erreichen. Hier geben wir aber nicht auf und arbeiten aktiv daran.“
Wie sieht für Sie die Zukunft in diesem Bereich aus?
„In den vergangenen 50 Jahren hat sich schon vieles verbessert. Rechtlich sind Frauen gleichgestellt. Gesellschaftlich aber kann man nicht erwarten, dass sich die Welt mit ihren fest verankerten Strukturen und Rollenbilder so schnell ändert. Hier muss man bei jeder Generation einfach immer wieder neu ansetzen.“
Interview und Text: Veronika Görlitz