Hoher Aufwand, wenig Geld

von Redaktion

Landwirte haben mit komplizierten Auflagen zu kämpfen

Mit immer neuen, immer unverständlicheren Auflagen haben die bayerischen Bauern zu kämpfen. „Langsam kennt sich keiner mehr aus. Es ist schwierig, in dem ganzen Forderungs- und Regelungswust den Überblick zu behalten“, stellt BBV-Kreisobmann Sepp Andres fest. Ganz abgesehen von dem hohen Zeitaufwand, den die Bürokratie erfordert, seien viele der Regelungen nicht nur kompliziert, sondern auch widersprüchlich, manchmal sogar widersinnig.

Das Bitterste daran: der hohe Aufwand bringt wenig Geld – und doch sind viele landwirtschaftliche Betriebe auf dieses Geld angewiesen, um überleben zu können. „Die Leute glauben immer, dass die Landwirte mit den Subventionen Geld fürs Nichtstun bekommen“, ärgert sich der Kreisobmann. „Tatsache ist: Die Bauern müssen für die staatlichen Zuschüsse eine hohe Leistung bringen. Und sie müssen den meisten Teil des Geldes reinvestieren und ausgeben. Wenn man es herunterbricht, landet in der Tasche der Landwirte nur ein kleiner Bruchteil der Subventionssumme. Und für diesen Bruchteil müssen sie liefern.“

Viel Zeit geht dabei für die Dokumentation flöten. Ein Beispiel: „Bringe ich Gülle aus, muss ich die genauen Daten innerhalb von zwei Tagen aufschreiben. Zu- und Abgänge im Stall müssen innerhalb von sieben Tagen gemeldet werden. Urlaub kann ein Landwirt im Prinzip nur dann machen, wenn er eine Vertrauensperson hat, die die Dokumentation übernimmt, denn er muss ja alle Passwörter und Zugangscodes weitergeben.“

Komplettiert wird die Misere noch dadurch, dass all die Regelungen und Bedingungen kaum mehr durchschaubar und nachvollziehbar sind und sich gegenseitig widersprechen. „In den vergangenen Jahren zum Beispiel haben sich viele Landwirte freiwillig für die Kiebitze engagiert. Sie haben das für den Naturschutz getan, und nicht fürs Geld. Der Vogel braucht zum Nisten etwas Platz, offenen Boden und Wasser. „Ideal dafür waren Maisflächen. Dort kann der Kiebitz gut zwischen den Reihen nisten und die Landwirte haben gern auf die Tiere Rücksicht genommen“, so Andres.

Erschwert wird jetzt dieses Engagement mit der staatlichen Vorgabe der Flächenstilllegung: Betriebe mit einer Betriebsfläche von mehr als zehn Hektar müssen vier Prozent ihres Landes stilllegen.

Guter Boden fehlt in der Produktion

Diese Vorgabe hat viele schwerwiegende Konsequenzen. Guter, fruchtbarer Boden wird der Produktion entnommen. Pro Großvieheinheit muss der Landwirt aber eine bestimmte Fläche nachweisen – muss doch die Gülle der Tiere auf genügend Fläche ausgebracht werden. Und natürlich sollen die Tiere hauptsächlich mit dem Futter von den eigenen Feldern versorgt werden. Auf gut Deutsch: Mit der staatlich verordneten Flächenstilllegung steht der Landwirt vor dem Problem, dass er entweder seinen Tierbestand reduziert – und damit natürlich seine Einnahmen sinken – oder er Fläche zupachtet, was wiederum Geld kostet. „Der Druck auf die Pachtflächen steigt im Moment wieder enorm“, bilanziert der BBV-Kreisobmann.

Verlierer dieses Spiels ist auch der Kiebitz: Gerne würden die Landwirte helfen, die Vögel auf der stillgelegten Fläche nisten zu lassen – das geht aber nicht, denn stillgelegte Flächen müssen geschlossen sein, sprich: zugewachsen. „Und da der Landwirt mit dem Rest der Fläche ohnehin schon knapp haushalten muss, wird er keinen Platz für Nistflächen schaffen können“, so Andres.

Viel bedenklicher sei natürlich, dass guter, fruchtbarer Ackerboden stillgelegt werden muss – „solche Flächen zu rekultivieren, das dauert dann seine Zeit.“ Besonders kritisch findet Andres das angesichts der Tatsache, dass die Zuwanderung in Deutschland steigt. „Wie sollen wir alle Menschen ernähren?“, fragt der BBV-Kreisobmann.

Abkommen wie TTIP oder Mercosur sind für ihn definitiv keine Lösung: „Es kann nicht sein, dass wir Deutschen unsere eigene landwirtschaftliche Produktion künstlich beschneiden, um Lebensmittel aus anderen Ländern einzuführen. Noch dazu, wenn die Produktionsstandards für diese Lebensmittel völlig undurchsichtig sind.“

Ein weiteres Beispiel dafür, wie den Bauern, denen der Grund und Boden gehört und die über jahrelange Erfahrung mit der Natur verfügen, das Wirtschaften von staatlicher Seite her schwer gemacht wird, ist die neue Einteilung der Erosionsklassen: Man geht davon aus, dass Wetterextreme wie Starkregen oder Sturm künftig dazu führen, dass Erde weggeschwemmt oder weggeweht wird. Die Folge für die Bauern: Wird ihre Fläche in eine höhere Erosionsklasse eingeteilt, darf diese Fläche nicht mehr gepflügt werden. Wie sinnvoll das für die Bodenqualität ist, bleibt fraglich. Sepp Andres: „Jede Hausfrau, die einen Garten hat, weiß, wie wichtig es ist, den Boden von Zeit zu Zeit umzustechen. Die Krume wird gelockert, bekommt Sauerstoff und das Unkraut – meistens Lichtkeimer – wird in den Boden eingearbeitet und verschwindet damit auf natürliche Art und Weise. Das Saatgut kann in einem gut vorbereiteten Boden besser keimen, wurzeln und wachsen. Dürfen die Böden jetzt nicht mehr geackert werden, dann steht zu befürchten, dass der Boden immer mehr verdichtet, das Unkraut überhand nimmt und die Saat nicht mehr so gut aufgeht. Obendrein kann das Wasser in dem verfestigten Boden nicht mehr so gut abfließen und versickern.“

Viele Landwirte hätten gegen die neue Einklassifizierung ihrer Böden bereits Widerspruch eingelegt. „Die Karte muss ohnehin bereinigt werden – wurden doch viele abschüssige Flächen, wo die Gefahr der Erosion tatsächlich höher ist, nicht neu bewertet. „Unverständlich ist für mich, dass all diese Dinge den Bauern von oben aufoktroyiert werden. Sie sind es doch, die vom Boden leben – er ernährt und kleidet sie und ihre Familien. Kein Landwirt macht seinen Boden willentlich kaputt.“

Viele Landwirte wollen angesichts der staatlichen Regulierungen, die sie in ihrem Wirtschaften immer mehr strangulieren, aus den Subventionen aussteigen und auf das Geld verzichten. „Es gibt aber genügend bäuerliche Betriebe, die auf das Geld angewiesen sind“, berichtet Andres. „Unsere Landwirte tun alles, um die Forderungen zu erfüllen – mögen sie noch so unübersichtlich und kompliziert sein.“ Nicht zu vergessen, dass die Landwirte aus den rein fachrechtlichen Regelungen gar nicht aussteigen können: „Diese sind für die Produzenten bindend und müssen erfüllt werden.“

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