Kleine Traumhäuser

von Redaktion

Interessenten schrauben Ansprüche runter

Das Einfamilienhaus im Grünen, die Wohnung in der Innenstadt mit drei Zimmern und Balkon – die Träume waren groß und den Versprechungen des Kapitalismus‘ folgend sollte es stets höher und weiter gehen. Dass diese Philosophie an ihre Grenzen stößt, hat man auch im Wohnsektor erkannt. Die zuvor über zehn Jahre steigenden Immobilienpreise sinken seit Beginn des Ukrainekriegs immer weiter, die Nachfrage stürzt in sich zusammen, die Finanzierung eines Eigenheims wird aufgrund stark gestiegener Bauzinsen schwerer zu schultern. Vor diesem Hintergrund scheint aktuell ein Sinneswandel bei vielen Bauwilligen und potenziellen Käufern vonstattenzugehen – vom einstigen Höchstanspruch hin zu einer neuen Bescheidenheit.

„Die Menschen träumen kleiner“, sagt Mirjam Mohr, Vorständin des Finanzierungsvermittlers Interhyp. Rund 2000 Menschen hat das Unternehmen im Rahmen seiner „Wohntraumstudie“ zu ihren Immobilienplänen befragt. Ein Trend ist dabei klar erkennbar: „Insgesamt haben große Immobilien durchgehend eher Prozentpunkte verloren, wohingegen kleine, bescheidenere Lösungen wie das Reihenhaus mit einem Plus von zwei Prozentpunkten und das Tiny House mit drei Prozentpunkten mehr leichte Aufwertungen erfahren haben.“

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine Studie des internationalen Maklernetzwerks Remax. Rund 3000 Menschen in 35 europäischen Regionen wurden zu Wohn- und Eigentumsplänen befragt. Kauf- und Mietinteressenten suchten vermehrt funktionelle und zweckmäßige Objekte. „Sowohl beim Kauf als auch beim Mieten legen die Menschen zunehmend Wert auf Lösungen, die ihren tatsächlichen Bedürfnissen entsprechen, ohne überflüssigen Luxus oder unnötigen Raum“, erklärt Samina Julevic, CEO von Remax Germany. Weniger romantisch veranlagte Personen könnten einwenden, dass die Kaufentscheidungen aufgrund fehlender finanzieller Mittel zustande kommen. Julevic sieht das nicht ganz so: „Spannend ist, dass dies nicht allein durch steigende Zinsen, hohe Immobilienpreise und die Inflation ausgelöst wird, sondern durch den anhaltenden Trend zu Sinnfragen – sozusagen eine Sinnflation.“

Laut der Geschäftsführerin des Maklernetzwerks werden kleinere Häuser und Wohnungen präferiert, die energieeffizient und umweltfreundlich sind. Als Beleg für die neue Bescheidenheit mache die Studie sich verändernde Lebensstile und Prioritäten aus – etwa den Wunsch nach einer flexibleren Gestaltung der Arbeit und Work-Life-Balance. Christoph Kastenbauer

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