Laut Bundesagentur für Arbeit lag die Frauenquote im sozialen Bereich bei mehr als 70 Prozent. Das Sozialwesen gilt als Frauendomäne. Doch warum entscheiden sich Männer gegen eine Karriere im Sozialwesen? Die IU-Kurzstudie „Soziale Berufe. Was junge Männer darüber denken.“ deckt auf, wie männliche Schüler aus Deutschland auf soziale Berufe blicken und welche Hürden sie bei einer solchen Berufswahl sehen.
Interessant ist: 65,5 Prozent der befragten jungen Männer interessieren sich für soziale und pädagogische Themen, trotzdem können sich nur 21,8 Prozent eine Ausbildung oder ein Studium im sozialen Bereich vorstellen.
Zu wenig Anerkennung
Die Gründe? Rund die Hälfte der männlichen Schüler gehen von zu geringen Verdienstmöglichkeiten und zu wenig Anerkennung für einen solchen Beruf aus. Dem Klischee, dass soziale Berufe eher was für Frauen sind, stimmen nur 24,4 Prozent von ihnen zu.
Für mehr als die Hälfte der befragten Schüler sind die Herausforderungen in sozialen Berufen kein Grund, der gegen eine Ausbildung oder ein Studium im Sozialwesen spricht. Was Freunde oder Familie über diesen Berufswunsch denken, würde jeweils mehr als die Hälfte der Befragten nicht davon abhalten, eine Ausbildung oder ein Studium im sozialen Bereich zu beginnen.
Prof. Dr. Fabian van Essen, Professor für Heilpädagogik und Inklusionspädagogik an der IU Internationale Hochschule ist Mitinitiator der Studie: „Obwohl das Potenzial grundsätzlich da ist und laut Studie weder die Meinung anderer noch das fordernde Berufsfeld einen Hinderungsgrund darstellen, kommt für viele männliche Schüler ein sozialer Beruf nicht infrage. Was können Gründe sein? Mehr Schulfächer zu sozialen Themen braucht es nicht, aber es fehlt vielen jungen Männern an praxisorientierten Einblicken, zum Beispiel durch Praktika oder Hospitationen. Ein Kernproblem ist der Wegfall des Zivildienstes, der früher junge Männer für soziale und pädagogische Berufe sozialisierte. Heutzutage fehlt vielen Männern diese Kennenlernmöglichkeit.“
Kaum männliche Vorbilder
Laut Studienergebnissen sind auch kaum männliche Verwandte oder Bekannte vorhanden, die im Sozialwesen arbeiten und junge Männer für soziale Berufe begeistern oder sozialisieren könnten: Zwar geben 64,3 Prozent der Befragten an, eine oder mehrere Personen zu kennen, die im sozialen Bereich arbeiten. Allerdings sind 65,6 Prozent dieser Bekannten oder Verwandten weiblich. Gerade mal 13,1 Prozent der jungen Männer geben an, dass ihr Vater oder Opa in diesem Bereich arbeitet.
Den hohen Frauenanteil bestätigen auch Statistiken: Laut Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (2022) arbeiten im sozialen Bereich mehr als 70 Prozent Frauen.
Hohe Frauenquote
Laut IU-Studie wirkt sich dieser hohe Frauenanteil kaum auf das Bild aus, das sich männliche Schüler zu sozialen Berufen machen: Nur 24,4 Prozent der befragten Schüler stimmen der Aussage zu, dass „soziale Berufe eher was für Frauen als für Männer sind“.
„Wie der Klischee-Check der Studie zeigt, scheint die hohe Quote weiblicher Fachkräfte nicht zwangsläufig dazu zu führen, dass junge Männer denken, soziale Berufe seien typische Frauenberufe. Und trotzdem benötigen Kinder und Jugendliche sowohl männliche als auch weibliche Rollenbilder im Bildungs- und Sozialwesen. Das betrifft das Geschlecht, aber auch andere Dimensionen, wie beispielsweise Behinderung, den Migrationshintergrund oder die sexuelle Orientierung“, sagt Prof. Dr. Fabian van Essen.
In ganz Deutschland herrscht Personalmangel in Kindertagesstätten und der Männeranteil in Kitas ist laut Statista 2022 verschwindend gering. Doch laut der IU-Studie ist gerade das Berufsbild Erzieher bei den befragten Schülern sehr beliebt: Unter den 21,8 Prozent derjenigen Befragten, für die eine Ausbildung oder ein Studium im sozialen Bereich infrage käme, würden sich 26,2 Prozent am ehesten für den Beruf des Erziehers entscheiden. An zweiter Stelle folgt mit jeweils 25,4 Prozent das Berufsbild Pädagoge beziehungsweise Sozialpädagoge. Weniger interessant sind Berufe wie Medienpädagoge (14,6 Prozent) oder Schulbegleiter (13,1 Prozent).
IU Internationale Hochschule