Im Mittelpunkt steht der Mensch

von Redaktion

Ein Bestatter und Trauerredner erzählt über seinen Beruf und würdevolle Abschiede

Der Verlust eines geliebten Menschen, die Angst vor dem Sterben, das Begräbnis. Es gibt in der heutigen Zeit wohl nur noch wenige Themen, über die es uns so schwerfällt zu sprechen wie über den Tod. Dabei gäbe es so viel zu sagen – nur wie? Und mit welchen Worten? Alex Runge ist Bestatter und hält auf Wunsch auch Trauerreden. Im Interview erzählt er aus seinem Berufsleben, in dem der Tod allgegenwärtig ist.

Herr Runge, Sie sind seit zwölf Jahren als Bestatter und Trauerredner bei der Bestattungshilfe Riedl und waren in Ihrem Berufsleben zuvor als Zimmerer und in einer sozialen Einrichtung tätig. Wie ist es zu dem Berufswechsel gekommen?

„Neben meiner handwerklichen Tätigkeit war mir immer schon die Arbeit mit Menschen wichtig. Besonders wenn sie Unterstützung brauchen und gerade dann, wenn deren Situation im Leben gerade nicht einfach ist. In der Behinderteneinrichtung habe ich damals einen für mich sehr ergreifenden Todesfall miterlebt. Kurz nach diesem Ereignis habe ich damals einen Nebenverdienst gesucht. Durch Zufall habe ich von einem Freund, der Bestatter ist, erfahren, dass die Bestattungshilfe Riedl nebenberufliche Mitarbeiter sucht. Schon bald war mir klar, dass ich Vollzeit dort arbeiten möchte.“

Was war ausschlaggebend für Ihren Berufswechsel?

„Ich kann für die Menschen da sein. Für die trauernden Hinterbliebenen ebenso wie für die Verstorbenen. Unabhängig von ihrem Alter, Stand und äußerlichen Begebenheiten. Mir gefällt meine Arbeit mit den sehr unterschiedlichen Arbeitsbereichen und die Dankbarkeit die man zurückbekommt. Die Arbeitsatmosphäre bei uns im Betrieb ist sehr gut, wir unterstützen uns gegenseitig.“

Wie reagiert Ihr privates Umfeld auf Ihren Beruf, z.B. wenn Sie jemanden neu kennenlernen?

„Am Anfang ist meist etwas Spannung da, nach dem Motto: ‚Ich könnte das ja nicht machen‘. Dann kommen die Fragen: ‚Was machst Du da eigentlich genau?‘

Danach sind sie durchaus positiv überrascht und erstaunt wie abwechslungsreich der Beruf des Bestatters ist.“

Was gehört denn zu Ihren Aufgaben?

„Bestatter ist ein anspruchsvoller und sehr vielseitiger Beruf. Die Abholung und hygienische Versorgung, die Aufbahrung und Überführung der Verstorbenen und die Erledigung von Formalitäten gehört ebenso zu meinen Aufgaben wie die Trauerfeier zur Beerdigung bzw. Beisetzung vorzubereiten. Besonders am Herzen liegt mir die Dekoration zur Trauerfeier, welche ich individuell im Rahmen der Möglichkeiten und nach den Wünschen der Angehörigen gestalte sowie auf Wunsch das Halten der Trauerrede bei der Trauerfeier.“

Sie sprechen als Trauerredner bei der Trauerfeier über eine Ihnen meist unbekannte Person. Wie bereiten Sie sich darauf vor, vom Verstorbenen ein möglichst authentisches und persönliches Bild wiederzugeben?

„Die nötigen Informationen kommen von den Angehörigen. Daraus verfassen wir eine individuelle und persönliche Rede. Gerne beschließe ich die Trauerrede mit einem schönen und passenden Gedicht. Manchmal halten auch Angehörige oder Freunde des Verstorbenen die Trauerrede, dies kann in der Situation auch zur emotionalen Herausforderung für den jeweiligen Redner werden. In diesem Fall biete ich gerne meine Unterstützung an.“

Welche Rolle spielen der Abschied vom Verstorbenen und die Trauerfeier in der Trauerphase für die Hinterbliebenen?

„Die visuelle Verabschiedung von einem lieben Menschen ist schwer, aber auch der erste große Schritt im Trauerprozess, um bewusst Abschied nehmen und loslassen zu können. Der Abschied ist am offenen Sarg ebenso möglich wie am Geschlossenen. Hierfür stehen bei uns Trauer- und Abschiedsräume in ruhiger und ansprechender Atmosphäre zur Verfügung. Ein letztes Gespräch, ein schönes Gebet, Gefühle zeigen dürfen oder einfach Zeit zum Trauern im persönlichen Rahmen haben. Noch ein letztes Mal Zeit mit dem geliebten Menschen verbringen, eine Kerze anzünden oder beim Richten des Verstorbenen helfen, um so den Tod besser begreifen zu können. Die Bedürfnisse und Wünsche der Hinterbliebenen sind sehr verschieden. Wir helfen nach den jeweiligen Möglichkeiten eine friedvolle Atmosphäre und Umgebung zu schaffen um den Angehörigen so einen würdevollen Abschied zu ermöglichen.“

Wie hat sich das Bestattungswesen in den letzten Jahren verändert ?

„Früher gab es vorwiegend Sargbestattungen, seit ein paar Jahren geht der Trend klar zur Feuerbestattung. Auf vielen Friedhöfen werden bereits Alternativformen wie Baum- oder Rasenbestattungen angeboten. Generell werden Bestattungen immer individueller. Es gibt mehr Naturbestattungen, Seebestattungen sind in Deutschland an der Ost- und Nordsee möglich. Die Asche im Meer oder auf einem Berg zu verstreuen ist in Deutschland verboten und nur im Ausland unter Einbeziehung eines dort ansässigen Bestatters erlaubt, auch dabei können wir behilflich sein. Man kann auch den Fingerabdruck des geliebten Menschen in Metall als Kettenanhänger anfertigen lassen oder sich aus der Asche einen Diamanten herstellen lassen. Die Möglichkeiten sind vielfältig. Meiner Erfahrung nach ist es für die Trauerbewältigung sehr wichtig, dass es einen Ort gibt, wo man hingehen kann und dem Verstorbenen nahe ist.“

Wie spendet man einem Trauernden nach dem Tod eines geliebten Menschen am besten Trost?

„Ich hole die Leute dort ab, wo sie in der Trauer stehen und begleite sie ein Stück auf Ihrem Weg. Für den Trauernden da sein, ohne Ratschläge oder Floskeln. Falls Nähe erwünscht ist, in den Arm nehmen. Einfach reden zu dürfen und jemanden zu haben der zuhört, kann in der Trauer sehr befreiend sein. Die Emotionen kommen dann, wenn jemand empathisch zuhört.

Leben Sie durch Ihre Arbeit, in der Sie tagtäglich mit dem Tod konfrontiert sind, intensiver im Moment als andere Menschen und wie hat sich Ihr Leben durch Ihren Beruf verändert?

„Grundsätzlich ist für den Beruf des Bestatters eine positive Einstellung zum Leben wichtig. Ich lebe mein Leben, wie jeder andere auch. Nicht intensiver im Moment, vielleicht manchmal etwas bewusster, weil ich die Endlichkeit des Lebens tagtäglich vor Augen habe.“

Haben Sie persönlich Angst vor dem Tod?

„Keine Angst aber großen Respekt.“

Was machen Sie, um Ihren beruflichen Alltag nach Dienstschluss gedanklich nicht mit nach Hause zu nehmen und wie schalten Sie ab?

„Ich kann ganz gut abschalten. Vielleicht stelle ich mir öfters als andere Menschen die Fragen „Wieso?“ und „Warum?“. Bodenständigkeit und der notwendige Abstand helfen, dass sich die Trauernden gut aufgehoben, professionell betreut fühlen und ich ihnen eine Stütze sein kann.“

Gibt es Dinge, die jeder vorab regeln sollte?

„Früher fiel es vielen Menschen schwer, mit einem Bestatter im Vorfeld zu sprechen, wenn es nicht unbedingt sein musste. Heute hat sich das geändert. Immer mehr Menschen treffen eine Bestattungsvorsorge und regeln ihre Bestattung grob oder detailliert, auch finanziell. Dies ist z. B. in Form eines Treuhandkontos oder einer Sterbegeldversicherung möglich. Wir bieten dafür eine individuelle Beratung an.“

Gibt es etwas, das Ihnen besonders am Herzen liegt, das Sie den Lesern mitgeben möchten?

„Das Sterben und der Tod gehören zum Leben. Wenn wir darüber reden, nimmt dies viel Angst und erleichtert im Ernstfall viele Entscheidungen, welche zu treffen sind.“

Das Interview führte Margit Obermaier

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