Beinahe scheint es wie ein Totalschaden mit Ansage, der sich aktuell hierzulande in der Bauwirtschaft abspielt. Einerseits liegen gefühlt hunderte Lösungen auf dem Tisch, wie der Bausektor effektiv anzukurbeln sei und etwa ambitionierte Ziele der Ampelregierung von 400000 neuen Wohnungen pro Jahr möglich gemacht werden könnten. Andererseits bleibt wackeren Vertretern dieses Sektors seit Monaten nicht anderes übrig, als eben diese Lösungen stets wieder aufs Forderungs-Tableau zu heben. Einen erneuten Versuch wagten vergangenen Montag in München Wolfgang Schubert-Raab, Präsident des Landesverbands Bayerischer Bauinnungen, und Andreas Demharter, Geschäftsführer der bayerischen Baugewerbeverbände.
Furcht vor weniger
Investitionen
„Die hohe Investitionsquote muss unbedingt auch in der aktuellen Krise beibehalten werden. Sonst werden wir geradezu existenzielle Probleme bekommen“, erklärte Schubert-Raab bei der Vorstellung der Herbst-Konjunkturumfrage unter den Mitgliedsunternehmen des Landesverbands. Es gehört zu den Absonderlichkeiten dieser Zeit, dass man erst einmal nachdenken muss, welche Krise hier gemeint sein könnte. Die aktuelle und wohl auch angesprochene ist jedenfalls die der Ampelregierung und ihres nach dem BVG-Urteil weit klaffenden Haushaltslochs. Die Furcht, dass wichtige Förderungen nun ausfallen und generell Investitionen zurückgefahren werden, kommt im gebeutelten bayerischen Bausektor mehr als zur Unzeit. Denn Probleme – die andere Krisen bereits geschaffen haben – gibt es genug.
Mehrere Faktoren dürften dabei den Wohnungsbau auf absehbare Zeit ausbremsen. Die aus weltpolitischen Zusammenhängen erklärbaren Probleme sind etwa die hohen Materialkosten, die extrem gestiegenen Bauzinsen und eine weiterhin hohe Inflation. Die Folgen dieser widrigen Allgemeinumstände spiegeln sich auch in den Zahlen der Konjunkturumfrage des Landesverbands wider. So wurden von Januar bis September dieses Jahres in Bayern nur 42740 Wohnungen genehmigt. Dies entspricht einem Rückgang im Vergleich zum Vorjahr um 30,1 Prozent. Die Prognosen des Ifo-Instituts sehen nicht viel besser aus: Bis 2025 könnte die voraussichtliche Zahl an neugebauten Wohnungen auf 210000 sinken – das ist kaum mehr als die Hälfte des von der Bundesregierung angestrebten Ziels. Wenn hier in den folgenden zwei Jahren noch ein großer Teil der benötigten Staatsmittel ausfällt, dürften die Prognosen noch deutlich negativer ausfallen.
Der Staat soll
es richten
Trotz all dieser Entwicklungen hat man an diesem Montag in München das Gefühl, dass den zwei Vertretern des Baugewerbe ihr Optimismus noch nicht verloren gegangen ist. „Natürlich ist es möglich, das Ziel der 400000 Neubauwohnungen zu schaffen. Wir sprechen von einer grundlegenden sozialen Notwendigkeit. Es muss möglich sein“, meinte Schubert-Raab. Lösungen, den Sinkflug des Wohnungsbaus zu unterbrechen und wieder an Höhe zu gewinnen, scheint es genug zu geben. Beinahe alle richten sich dabei an die Bundesregierung – der Staat soll es reparieren, und zwar in Form zinsverbilligter Kredite und reichlichen Förderungen an den richtigen Stellschrauben.
Ein weiterer Punkt erhält dabei von Schubert-Raab und Demharter am meisten Gewicht: Das Problem eines „zu viel“ an Bürokratie, und das besonders im Wohnungsbau. Von einer „Regelungswut“ spricht der Geschäftsführer der bayerischen Baugewerbeverbände. „Unser Anspruch beim Wohnungsbau hierzulande ist es, immer alles 110 Prozent zu machen. Davon müssen wir runter“, so Demharter.
Konkret geht es hier um die hohen Standards beim Bau – etwa beim Schallschutz oder der Energieeffizienz –, die jeder Bau grundsätzlich erfüllen muss, um nicht als „mangelhaft“ zu gelten.
Flut von Regelungen durch EU
Neben der Bundesregierung sorgt zusätzlich auch die Europäische Union für eine Flut von Regelungen. Neue umweltrechtliche EU-Vorgaben etwa könnten da schon einmal um die 200 Seiten umfassen. „Gerade kleine Betriebe geben da schlicht auf. Die wollen sich an alle Regelungen halten, aber sind einfach überfordert“, erklärt Demharter.
Als einen möglichen Weg aus diesem Dilemma beschreiben die beiden Bauwirtschaft-Vertreter den „Gebäudetyp E“. Dieser soll es Bauträgern ermöglichen, Wohnungen mit niedrigeren Standards zu bauen, ohne dass diese gleich als „mangelhaft“ gelten. So könnten Unternehmen Wohnungen günstiger und vor allem rechtssicherer bauen.
Ob dieses von der bayerischen Architektenkammer entwickelte Konzept jemals in die konkrete Umsetzung geht, bleibt abzuwarten. Christoph Kastenbauer