Rüdiger Maas.
Die ersten Gruppen an Nachwuchskräften, die digital aufgewachsen sind, drängen ins Berufsleben, wo sie auf die Generation der Babyboomer treffen. Der Spiegelbestseller Autor und Generationenforscher Rüdiger Maas gibt in seinem Gastbeitrag Einblicke, ob die Generation Z wirklich anders tickt.
„Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte. Die jungen Leute stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie widersprechen ihren Eltern, schwadronieren in der Gesellschaft, verschlingen bei Tisch die Süßspeisen, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.“ Das Zitat stammt von Sokrates, etwa 469 bis 399 v. Chr.
Anstandsloser, schlechter, widerspenstiger?
„Das Phänomen, dass die Jungen anstandsloser, schlechter, widerspenstiger als die Alten sind, lässt sich historisch ganz einfach mit Sokrates´ Zitat widerlegen. In der Generationenforschung spricht man auch von einem Alterseffekt. Dieser besagt, dass sich bestimmte Merkmale in Abhängigkeit mit dem Alter verändern. So ist eine gewisse Form von „Rebellion“ ein Merkmal der Jugend und nicht ein Merkmal von Generationen. Um einen Alterseffekt ausschließen zu können, muss ein bestimmtes Merkmal exklusiv für eine bestimmte Altersgruppe sein und darf nicht Ausdruck einer bestimmten Lebensphase sein. Trotzdem wimmelt es in der populärwissenschaftlichen Ratgeberliteratur zur Generation Z nur so von Zuschreibungen: Die Generation Z sei kommunikativ, individualistisch orientiert, sei nur an Freizeit interessiert und benötige viel Freiraum. Doch mal ehrlich, sind Personen anderen Alters denn wirklich anders?
Erstaunlicherweise finden sich eine Vielzahl populärwissenschaftliche Umfragen und Beiträge, die die unterschiedlichsten Theorien über Jung und Alt zu bestätigen scheinen. Gerade im unternehmerischen Kontext erfreuen sie sich großer Beliebtheit. Pseudoforschungen und Ratgeber proklamieren ein Persönlichkeitsprofil der Generation der Babyboomer (Jahrgänge 1956 bis 1964), der Generation X (Jahrgänge 1965 bis 1979), Y (Jahrgänge 1980 bis 1994) und Z. Schlagwortartige, einfache Begriffe und Überlegungen, die jedoch mit äußerster Vorsicht zu genießen sind.
Wir vom Institut für Generationenforschung führten sehr viele bundesweite repräsentative Studien über die Generationen durch. Mitunter auch generationenvergleichende Studien, bei denen aktuelle Daten mit Daten vergangener Erhebungen verglichen wurden. 18-Jährige heute mit 18-Jährigen von vor zehn Jahren. Ziel war es herauszufinden, ob sich die ab 1995 Geborenen von Personen anderen Alters unterscheiden lassen. Aus den Erkenntnissen der Studie lassen sich in der Tat einige Merkmale herauskristallisieren.
Unsere Studien bestätigten eine neuartige Eltern-Kind-Bindung, die auch als Neokonventionalismus bezeichnet wird. Beim Neokonventionalismus werden die Werte und Einstellungen der Eltern, die Konventionen, auf die Kinder übertragen. Die Generation Z weist eine besonders starke Bindung zu ihren Eltern auf. Neben einem immer späteren Auszug aus dem Elternhaus, entscheiden Eltern wesentlich mit, was aus ihren Kindern wird. Und so kommen sie nicht selten bei ihren volljährigen Kindern mit in die Arbeitsstätte oder sitzen mit in den Bewerbungsgesprächen. Einige Hochschulen haben Elternabende eingerichtet, um diese einerseits über den Studienablauf ihrer Kinder zu informieren und andererseits, um zu verhindern, dass Eltern mit im Vorlesungssaal sitzen.
Bewerber und Bewerberinnen oder Neuankömmlinge der Generation Z sollten in Organisationen daher nicht ins kalte Wasser geworfen werden. Die starke Unterstützung der Eltern während des bisherigen Lebens führte dazu, dass nicht oft Situationen allein bewältigt werden mussten. Unterstützung in neuen Situationen ist daher angebracht. Auch muss beim Bewerbungsprozess und beim Berufseinstieg der Einfluss der Eltern mitgedacht werden. Hilfreich ist, Eltern gezielt zu Bewerbertagen einzuladen, weil sie bei der Berufswahl ihrer Kinder mitentscheiden. Da sich die heutige Generation an Eltern häufig selbst noch über Stellenanzeigen in Printmedien beworben hat, lohnt es sich weiterhin, über die klassischen Stellenportale zu werben oder zum Beispiel auch über Facebook, Ebay oder wo auch immer man die Eltern antrifft.
Zudem haben wir ein weiteres Novum, denn noch nie in der Geschichte der Menschheit gab es eine so große Fixiertheit auf ein Gerät, das Smartphone. So haben etwa 99,7 Prozent – der 18-Jährigen ein Smartphone das sie mindestens vier Stunden täglich nutzen. Die Generation Z ist zudem die erste Generation, die damit aufgewachsen ist und ein Leben ohne Smartphone, Social Media und Co sich gar nicht mehr vorstellen kann. Dennoch sollten wir bei Stellenanzeigen via Social Media vorsichtig sein. Denn die GenZ ist damit groß geworden, Social Media war immer ein Teil ihres Freizeitlebens, die Arbeit kam quasi später. So könnte es junge Menschen beispielsweise abschrecken, plötzlich einen potenziellen Arbeitgeber dort in einem TikTok-Tanzvideo zu sehen.
Die jungen Menschen verbringen oft mehr Zeit in der digitalen wie in der analogen Welt. Hierbei fehlt ihnen oft das Training in der analogen Welt als Folge. Fremde Menschen anzusprechen, oder Telefonate zu führen, ist nun eben nicht mehr selbstverständlich. Hier gilt es, die Stärken der beiden Prägungen gezielt zu nutzen. Oder anders gesagt: „Manager des Analogen“ unterstützen „Manager des Digitalen“ und umgekehrt. Ältere Personen im Unternehmen könnten Jüngeren als Ratgeber mit ihrem Erfahrungswissen zur Seite stehen. Der starke familiäre Bezug der Angehörigen der Generation Z trägt dazu bei, dass ältere Personen, die einen väterlichen oder mütterlichen Umgang mit den Neuankömmlingen pflegen, gut bei den Jungen ankommen. Jüngere Personen können wiederum Älteren mit ihrem Wissen über die aktuelle Generation weiterhelfen und so beispielsweise den Bewerbungsprozess und die Außenwirkung des Unternehmens möglichst attraktiv gestalten.
Wenn beide Seiten also einen Schritt auf einander zu gehen, könnte sich insgesamt viel bewegen!“