Im Königreich der abenteuerlichen Straßen

von Redaktion

Kurz vor den Osterferien die Top-Nachricht: Für einige Reiseziele sinken die Preise, je näher die Feiertage rücken. Das haben die Experten von HolidayCheck festgestellt, die über 4,5 Millionen Angebote von 65 Veranstaltern beobachtet haben, und zum Ergebnis kamen: Am meisten spart man in der Türkei.

Also ab in die Türkei: Denn dort findet eigentlich jeder was für seinen Geschmack. Die preisbewusste Familie genauso wie der unternehmungslustige Abenteurer. Jener etwa setzt sich ins Auto. Kaum ein Staat bietet so spektakuläre und vom Fremdenverkehr so wenig erschlossene Straßen wie die Türkei, die mit einem Zipfel noch zu Europa und sonst zu Asien zählt. Thomas Geiger stellt drei spektakuläre Routen vor.

Haarnadelkurven und Nervenkitzel

Sie erfordert Mumm, die Straße D915 im Hinterland von Trabzon an der Schwarzmeerküste. Nicht umsonst rät die Internetseite Dangerousroads.org, dass hier nur fahren möge, wer ein bisschen verrückt sei. Reißerisch wird die 1916 von den Russen gebaute Bergroute immer wieder als „gefährlichste Straße der Welt“ tituliert. Dabei fängt sie im Vorort Of harmlos an. Ja, sie ist eng. Aber sie ist asphaltiert und schlängelt sich sanft durch die Teeplantagen im Küstengebirge. Weiter im Landesinneren werden die Kurven enger, die Lücken im Asphalt größer.

Bis die Teerdecke hinter einer Teestube am Ortsausgang von Çaykara ganz aufhört. Dort sitzen die Einheimischen und staunen, wer hier alles vorbeikommt und ein Abenteuer auf sich nimmt, das für sie ganz alltäglich ist. Schließlich gibt es von hier aus keinen anderen Weg mehr nach Bayburt auf der anderen Seite der Berge als die Derebasi Turns, die insgesamt 29 Haarnadelkurven – 13 hinauf, die sich zum Soganli-Pass auf 2035 Meter hochschlängeln – und 16 wieder hinunter. Mal am Abgrund gebaut, mal tief in den Fels gehauen, überwinden sie den Berg auf nur fünf Kilometern mit Steigungen von bis zu 17 Prozent mehr als 300 Höhenmeter und sind dabei so eng, dass sie einem angst und bange machen.

Und als wäre die ungesicherte Streckenführung nicht schon abenteuerlich genug, kommt auch noch ein Wetter hinzu, das einem oft vier Jahreszeiten an einem Tag serviert. Nicht umsonst ist die D915 im Durchschnitt sechs Monate im Jahr geschlossen.

Doch wenn sie offen ist, hält sie auf ihren insgesamt 180 Kilometern von Of nach Bayburt noch eine weitere Überraschung bereit. Kaum auf der Passhöhe angekommen, geht es in sanft geschwungenen Kurven auf frischem Asphalt über eine weite, fast alpine Hochebene.

Auf der Stone Road am Euphrat entlang

300 Kilometer weiter im Südwesten wartet das nächste Abenteuer. Nur: Ging es auf der D915 noch hoch hinaus, geht es jetzt auf der Stone Road von Kemaliye in der Provinz Erzincan tief hinunter an die Ufer des noch jungen und wilden Euphrat.

Durch eine Schlucht, die viele hundert Meter tief ist und oft so schmal, dass die Sonne nur wenige Minuten am Tag auf den Grund scheint, schlängelt sich hier eine Piste, die auf grobem Schotter quer durch den Fels getrieben wurde.

Auf nur knapp neun Kilometern gibt es 38 Tunnel, von denen viele so eng sind, dass zwischen Spiegel und Stein oft kaum eine Hand passt. An der schmalsten Stelle misst die Steinstraße nicht viel mehr als zwei Meter, und viel höher sind auch die Tunnel nicht. Aber dafür gibt es alle paar Meter große Löcher nach draußen, die einen atemberaubenden Blick auf Schlucht und Fluss freigeben. Nicht dass man hier stehen bleiben sollte. Denn das Schlimmste, das einem auf der Stone Road passieren kann, ist ein drängelnder Hintermann oder gar Gegenverkehr. Doch weil bei der zentimetergenauen Fahrerei ohnehin kaum mehr als Schritttempo möglich ist, genießen zumindest die Passagiere die Aussichten.

Nicht minder spannend ist die Geschichte der Straße, mit der die Region Anschluss ans zentrale Anatolien fand. Weil den Behörden der Bau zu kompliziert und teuer war, griffen die Einwohner 1870 selbst zu Hacke und Schaufel und kämpften sich mühsam ohne Maschinen durch den Fels. So erzählt es der Wirt am Ausgang der Schlucht. Das habe den Staat so beeindruckt, dass er irgendwann doch einstieg und die Straße fertig baute. „Und nach gerade mal 132 Jahren wurde die Stone Road 2002 eröffnet“, erzählt der Wirt, bevor er noch mehr Çay auftischt. Angesichts dieser Zeitspanne relativieren sich die eben noch so endlos langen 45 Minuten, die man für die zehn Kilometer gebraucht hat.

Kappadokien-Runde voller Fotomotive

Vom erfrischenden Euphrat geht es 500 Kilometer weiter nach Göreme ins trockene Kappadokien. Hier hat die Erosion aus 30 Millionen Jahre alter Vulkanasche eine Märchenlandschaft gezaubert. Wind und Wasser haben nicht nur hunderte zum Teil über 20 Meter hohe Kegel in die Ebene gestellt. Weil der Stein so weich ist, haben sich darin in den letzten paar tausend Jahren auch ganze Völker Höhlen gegraben und Häuser gebaut.

Die beiden Berge am Ortseingang von Uchisar etwa gehen als türkische Twin Towers der Antike durch. In einem Hotel zu übernachten, heißt in der Gegend oft, in einer Höhle zu schlafen, einer „Cave-Suite“ mit Klimaanlage und knöcheltiefen Teppichen.

In den Felsen finden sich liebevoll dekorierte Kirchen und unter Tage ganze Städte, in die sich die Christen einst vor den Arabern flüchteten. Zum Sonnenaufgang steigen Heißluftballons mit Touristen im Korb über der eigenwilligen Landschaft auf – es ist das bekannteste Fotomotiv Kappadokiens. Aber weil hinter jeder Kurve weitere faszinierende Perspektiven auf die Gebirgsformationen des Nationalparks warten, lohnt der Abstecher in die anatolische Pampa auch für Selbstfahrer.

Dabei macht es keinen Unterschied, ob man ins quirlige Ürgüp fährt oder in die Töpfermetropole Avanos, zur unterirdischen Stadt Derinkuyu oder die Touristenhochburg Göreme ansteuert: In Kappadokien ist einmal mehr der Weg das Ziel.

Doch wer möglichst viel in möglichst kurzer Zeit sehen will, fährt um Göreme einen großen Kreis und achtet darauf, dass er immer innerhalb des Rings aus D300 und D302 bleibt. Dafür sollte man sich mit ein paar Zwischenstopps mindestens einen Tag Zeit nehmen, oder auch drei. Thomas Geiger/dpa

Artikel 8 von 11