Herr PD Dr. Mohr, welche Impfungen sind im Erwachsenenalter wichtig und sollten ständig aufgefrischt werden?
Impfempfehlungen werden in Deutschland von der Ständigen Impfkommission (STIKO) veröffentlicht. Impfungen werden in vier Gruppen unterteilt: Standardimpfungen (Impfungen, die für alle Menschen gelten, jedoch abhängig vom Alter sind), Indikationsimpfungen (Impfungen für Risikogruppen bei individuell erhöhtem Risiko für eine Erkrankung), Impfungen aufgrund eines beruflichen Risikos sowie Reiseimpfungen.
Alle Erwachsenen benötigen mindestens drei Impfungen gegen Tetanus und Diphterie. Hier ist anschließend alle zehn Jahre eine Auffrischung notwendig. Ebenso sollte einmalig im Erwachsenenalter in Kombination mit Tetanus/Diphterie eine Impfung gegen Keuchhusten erfolgen. Für alle nach 1970 Geborenen, bislang nicht Masern-Geimpften wird eine einmalige Masernimpfung angeraten. Für erwachsene Frauen im gebärfähigen Alter empfiehlt die STIKO eine zweimalige Rötelnimpfung und für Frauen mit Kinderwunsch bei fehlendem Nachweis einer durchgemachten Windpocken-Erkrankung eine zweimalige Impfung gegen Windpocken (Varizellen). Für alle Menschen im Alter von 18 bis 59 Jahren sollte dreimalig ein Kontakt mit dem Coronavirus (SARS-CoV2) erfolgt sein und mindestens einmalig hiervon eine Impfung. In Bayern (FSME-Risikogebiet) sollten zudem alle Personen, die gefährdet sind, mit Zecken in Kontakt zu kommen, einen FSME-Schutz haben. Nach zuvor erfolgter Grundimmunisierung folgt eine Auffrischimpfung alle drei bis fünf Jahre.
Welche Impfungen empfehlen Sie zusätzlich für ältere Personen?
Für ältere Menschen gelten besondere Regeln. Im Alter kommt es zu einer Schwäche des Immunsystems (Immunoseneszenz) und der Körper ist anfälliger für schwere Infektionen. Daher empfiehlt die STIKO für Menschen über 60 Jahre weitere Impfungen. Zum einen ist dies eine einmalige Impfung gegen Pneumokokken, dem häufigsten Erreger der Lungenentzündung. Hier gibt es seit diesem Jahr einen neuen Impfstoff, der einen besseren Schutz bietet, als die in den letzten Jahren verabreichten Impfstoffe. Spätestens mit Abstand von sechs Jahren einer zuvor durchgeführten Pneumokokken-Impfung sollte der neue Impfstoff angewandt werden. Zum anderen sollten im Abstand von zwei bis sechs Monaten zwei Impfungen gegen Gürtelrose (Herpes Zoster) erfolgen. Außerdem wird ab 60 Jahren eine jährliche Impfung gegen die Grippe (Influenza) und SARS-CoV2 angeraten. Möglicherweise wird die STIKO im Herbst eine weitere Impfung für ältere Menschen empfehlen: eine Impfung gegen das sogenannte RS-Virus: ein Virus, das die Atemwege befällt und neben kleinen Kindern vor allem ältere Menschen schwer erkranken lassen kann.
Gibt es Einschränkungen für Menschen mit Vorerkrankungen?
Je nach Vorerkrankung sind weitere Impfungen erforderlich. Tatsächlich würde das den Rahmen dieses Interviews „sprengen“. Dafür sind die Hausärzte kompetente Ansprechpartner und Experten, die individuell beraten können. Wichtig ist zu wissen, dass manche Impfungen bei Schwangerschaft und Einnahme von Medikamenten, die das Immunsystem (Immunsuppressiva) unterdrücken, nicht verabreicht werden dürfen.
Viele Menschen machen sich Sorgen, dass Impfungen eventuelle Schäden im Körper verursachen könnten. Besteht dieses Risiko?
Die in Deutschland empfohlenen Impfungen sind generell sehr sicher, wenn man gewisse Regeln und vorbekannte Unverträglichkeiten beachtet. Wichtig ist, dass Impfreaktionen wie etwa Schmerzen an der Impfstelle, Fieber, Gliederschmerzen zur Impfung dazugehören und eine normale Reaktion des Immunsystems auf den Impfstoff sind. Oft sind Impfreaktionen nach wenigen Tagen vorbei. Davon abzugrenzen sind Impfkomplikationen, die es gibt, aber sehr viel seltener sind.
Wer führt diese Impfungen durch? Der Hausarzt?
Der Hausarzt, aber auch andere Fachärzte, etwa Frauenärzte und Lungenfachärzte impfen. In jedem Fall macht es Sinn, beim nächsten Arztbesuch den Impfpass mitzunehmen und den Hausarzt darauf anzusprechen.