Es waren die knotigen Astlöcher im polierten Armaturenbrett, die ihm als erstes ins Auge fielen. Als er ein Kind war, besaß sein Vater ebenso einen alten Mercedes. „Ich habe immer noch die braune Wurzelholzoptik und das Kassettendeck vor Augen“, erinnert sich Philipp Mann.
Genau diese Geschichte zusammen mit dem Auftreten des jungen Mannes berührte Walter Schaller so sehr, dass er ihm einen seiner Schätze anvertraute. Und so fährt Philipp Mann heute den metallic-blauen Mercedes W126 SE300 zu seinem ersten Kundentermin nach Neumarkt-Sankt Veit. Er hört genau hin, ob der Motor schon warm genug ist. Als er den Wagen startet, beginnt dieser glücklicherweise sanft zu tuckern.
Mittlerweile kann er die Signale seines fahrbaren Untersatzes entschlüsseln. Denn beim nächsten Oldtimer Treffen in Mühldorf will er die Oldtimer-Sprache so gut gelernt haben, dass er sich nicht blamiert.
Als gelernter Sommelier, der in seiner Digitalagentur KI-basierte Produkte zum Thema Wein entwickelt, ist der Digitalexperte mit der virtuellen Welt von morgens bis abends beschäftigt. Deshalb fuhr er bis zu seinem Umzug von Hamburg nach Bayern auch den hochmodernen „e-tron“ von Audi.
„Das genaue Gegenteil ist der Oldtimer, der kein digitales Display hat, nur eine Kassette, wo du sehr genau aufpassen musst auf die Geräusche beim Fahren. Das macht den Unterschied: bewusster fahren, und man bekommt den Verkehr um sich herum wieder mit.“
Auch Nachhaltigkeit spielte für ihn eine Rolle: „Das Auto ist Baujahr 1968 und die Ressourcen dafür wurden schon verbraucht.“Für den ehemaligen Besitzer Walter Schaller, Ehrenvorsitzender des Oldtimer Stammtisches Kulmbach, war nur eines wichtig: „Dass jemand genauso viel Freude am Fahren und Erhalten dieses Kulturgutes hat, wie ich es hatte.“
Dessen war sich der Oldtimer-Sammler nach einem persönlichen Gespräch bei dem Jungunternehmer sicher. Der Rentner hat selbst immer einen seiner Lieblinge vor der Haustür stehen, da für ihn eine Spazierfahrt wie ein Kurzurlaub ist. Schon in den 90ern begann er englische Exemplare zu sammeln und als Szenenkenner hat er erfreut einen deutlichen Wandel im Kaufverhalten der letzten Jahre bemerkt.
Denn heute erwerben auch häufiger Frauen diese klassischen Fahrzeuge: „Meinen Jaguar E-Type hat eine Sportpilotin aus Hamburg gekauft. Die ist mit ihrem Flugzeug nach Kulmbach geflogen und nach der Einführungsrunde sofort mit diesem 300 PS-Auto losgedüst.“ mst