Die Anziehungskraft der heutigen Marktgemeinde Prien seit Mitte des 19. Jahrhunderts hat mehrere Ursachen: Mit der Eröffnung der Bahnstrecke Rosenheim-Salzburg, mit dem Bau des Schlosses Herrenchiemsee und mit dem Ausbau der Chiemsee-Schifffahrt öffnete sich Prien mehr und mehr dem Tourismus. Prien ist einziger anerkannter Kneipp-Kurort in Oberbayern. Verschiedene Kliniken haben sich hier niedergelassen. Prien hat eine breite Schullandschaft, ist durch Bahn und A8 gut angebunden und mit dem Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee, bei dem das Grundgesetz der Bundesrepublik erarbeitet wurde, erlangte Prien zudem internationales Renommee. Und nicht zuletzt dank seiner Lage direkt am See mit unverstelltem Blick auf die Herreninsel und die nördliche Alpenkette übt Prien eine magische Anziehungskraft aus. Kein Wunder also, dass Prien ein begehrter Wohnort ist. Ein Gespräch mit Andreas Friedrich, dem Ersten Bürgermeister der Marktgemeinde Prien.
Im Großraum Chiemgau schießen die Grundstücks- und Mietpreise durch die Decke. Wie kann Ihre Gemeinde dennoch sozialverträglichen Wohnraum schaffen?
Friedrich: Das ist recht schwierig. Da sind einerseits die hohen Baupreise und andererseits haben wir keine geeigneten Grundstücke. Dazu kommt, dass das Platzangebot wegen der Naturschutzgebiete Priental und Chiemsee begrenzt ist. Auf einem Grundstück in Trautersdorf konnten wir zusammen mit der landkreiseigenen Wohnungsbaugesellschaft das Wohnquartier Trautersdorf entwickeln. Hier sollen insgesamt 48 Wohnungen entstehen, darunter auch sozialgebundener Wohnraum mit EOF-Förderung. Ende Juni konnte das erste Objekt mit zwölf Wohnungen eingeweiht werden. Unmittelbar darunter sollen drei weitere Häuser mit jeweils bis zu zwölf Wohneinheiten entstehen, aber da sind wir erst in der Anfangsphase. Dass die MARO-Genossenschaft Insolvenz angemeldet hat, stimmt mich nachdenklich. Denn sozialverträglichen Wohnraum schaffen muss auch langfristig wirtschaftlich darstellbar sein.
Ist Ihre Gemeinde bei der Kinderbetreuung gut aufgestellt?
Grundsätzlich ja. Sieben Kindergärten und eine zusätzliche Spielstube für Kleinkinder bis drei Jahren stehen zur Verfügung. Dazu gibt es noch seit Sommer 2020 den Kindergarten Prievena in Containern neben dem König-Ludwig-Saal. Die Marktgemeinde ist hier Sachaufwandsträger. Aber diese Übergangslösung soll mit dem Kindergarten in Wildenwart obsolet werden. Dort bauen wir zusammen mit der Gemeinde Frasdorf in interkommunaler Zusammenarbeit eine neue Kinderbetreuungseinrichtung für drei Kindergarten-, zwei Krippen-Gruppen und einen Hort auf einem 5000 Quadratmeter großen Grundstück. Allein der Bau wird nach derzeitigem Stand etwas über sieben Millionen Euro ausmachen. Prien ist auch ein starker Schulstandort: Neben der Franziska-Hager-Grund- und Mittelschule sind hier das Sonderpädagogische Förderzentrum Kampenwandschule, die Kommunale und die Chiemsee-Realschule und neben dem Ludwig-Thoma-Gymnasium auch die Freie Waldorfschule Chiemsee. Und auf dem alten Hartplatz neben der Franziska-Hager-Turnhalle bietet der Kinderhort, der im September 2023 aufgemacht hat, Platz für bis zu 150 Kinder.
Da die Zahl älterer Menschen steigt, muss eine Gemeinde aber auch mehr für die Senioren tun.
Gefühlt reicht unser Angebot noch. Wir haben mehrere Seniorenresidenzen im Ort, und der Neubau vom Caritas Altenheim St. Josef ist in vollem Gange. Dort soll langfristig mehr Platz als vorher für unsere ältesten Mitbürger sein. Neu hinzu kommt hier auch eine Senioren-Tageseinrichtung. Eine in meinen Augen wichtige Einrichtung, denn sie entlastet die pflegenden Angehörigen und bietet den Pflegebedürftigen, Demenzkranken, die dort tagsüber betreut werden, einen schönen Aufenthaltsort. Darüber hinaus bietet das Seniorenprogramm, bei dem sich zehn Damen ehrenamtlich engagieren, älteren Mitbürgern ein buntes abwechslungsreiches Programm, und das seit über 20 Jahren.
Stichwort Geflüchtete und/oder Obdachlose: Können Sie Geflüchtete beziehungsweise Obdachlose unterbringen?
Für die Unterbringung von Flüchtlingen ist in erster Linie der Landkreis zuständig; die Gemeinde hat aber ein Grundstück zur Verfügung gestellt. Der Landkreis hat dort einen Modulbau errichtet, im Juli werden dort die ersten Flüchtlinge einziehen. Lange Zeit mussten vorher Geflüchtete in der LTG-Turnhalle unterkommen. Ein unhaltbarer Zustand für alle Beteiligten. Sammelunterkunft steht für ein Bett, ein Spind, mit zwei, drei Personen pro Raum sowie ein Gemeinschaftsbad und -küche. Als die ersten ukrainischen Geflüchteten bei uns eintrafen, haben wir Zweitwohnbesitzer angeschrieben, ob sie ihre Wohnung zur Verfügung stellen – mit einigem Erfolg. Aber generell ist es schwierig, Wohnraum für Geflüchtete zur Verfügung zu stellen.
Wie sieht für Sie Wohnen in Zukunft in Ihrer Gemeinde aus?
Die Insolvenzanmeldung der MARO-Genossenschaft, aber auch die allgemeine Entwicklung in der Bauwirtschaft zeigt, dass jetzt nicht unbedingt die beste Zeit ist, neue Wohnbauprojekte in Angriff zu nehmen. Es ist noch immer eine deutliche Zurückhaltung bei der Entwicklung neuer Bauprojekte zu spüren. Auch sind die Grundstückspreise noch gefühlt zu hoch. Das Bauen in der Zukunft wird deshalb noch mehr Nachverdichtung der bestehenden Siedlungsflächen und vor allem eine Entwicklung in die Höhe mit sich bringen – unabhängig von der Wohnform.
Und zu guter Letzt: Wenn Sie sich persönlich eine Auszeit nehmen, wollen Sie uns Ihren Lieblingsplatz verraten oder haben Sie einen Ausflugtipp?
Ich habe in Prien einen Lieblingsplatz an unserem „Bayerischen Meer“ – wo der ist, wird aber nicht verraten.
Interview: Elisabeth Kirchner