„Die Bürokratie bringt uns um!“

von Redaktion

IHK-Vizepräsident Georg Dettendorfer über Probleme im Güterverkehr

Der Güterverkehr auf Straße und Schiene hat mit massiven Problemen zu kämpfen. Georg Dettendorfer (55), Vizepräsident der IHK München und Vorsitzender des Verkehrsausschusses in München und in Berlin, reißt im Interview die wichtigsten neuralgischen Punkte an.

Herr Dettendorfer, wie geht es der Speditions- und Güterverkehrsbranche?

Da weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll: Vom Fachkräftemangel, die Bürokratisierung und Administration, die immer schlimmer wird, über die plötzliche Erhöhung der Maut bis hin zur kaputten Infrastruktur und der fehlenden Abstimmung zwischen den Infrastrukturbetreibern kommen wirklich viele Baustellen zustande.

Genehmigungen zum Beispiel für Sondertransporte sind immer schwerer zu bekommen, vor allem dauert es länger und ist viel komplizierter als in der Vergangenheit. Marode Infrastruktur, Blockabfertigung und Fahrverbot führen zu Staus und Verzögerungen. Das bedeutet nicht nur eine Belastung für das Fahrpersonal, sondern wirkt sich auch auf unsere Kunden aus, die sich in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr optimiert haben – Schlagwort Just-in-Time- oder Just-in-Sequence-Lieferung. Die Straße war für sie das „rollende Lager“ und sparte Kosten in der Lagerhaltung.

Das funktioniert wegen der schlechten Infrastruktur, den vielen Baustellen und Staus mittlerweile nicht mehr. Wir bekommen immer weniger Wirtschaftlichkeit auf die Fahrzeuge, weil wir mehr stehen als fahren. Die Wirtschaftlichkeit bemisst sich ja daran, wie viele Kilometer der LKW mit Ware des Kunden beladen zurücklegen kann. Die Verdienstmöglichkeiten sind immer schlechter geworden.

Super-Gaus sind dann Adhoc-Entscheidungen der Politik wie die Erhöhung der Maut. Für uns ist das eine Abgabe, die wir zahlen müssen. Das Problem sind hier für uns die Leerfahrtkilometer zwischen den Kunden – auf dem Zähler stehen Kilometer, die ich nicht oder nur teilweise bezahlt bekomme, für die ich aber die staatliche Abgabe leisten muss. Das führt dazu, dass manche Betriebe so gut wie nichts mehr verdienen.

Reine Transportbetriebe haben eine Umsatzrendite, die zwischen 0,5 und 0,8 Prozent liegt – da darf nichts passieren. Wenn da irgendetwas schief geht, eine Reparatur, ein Reifenplatzer passiert oder ungeplant lange Lade- oder Entladezeiten dazu kommen, dann verdient der Transport-Unternehmer in dem Monat überhaupt kein Geld mehr. Das ist ein sehr hart umkämpftes Feld. Solche Entscheidungen wie die Mauterhöhung brechen hier vielen das Genick. Wir hatten noch nie eine so hohe Quote von Unternehmen, die aufgegeben haben oder im Moment dabei sind, aufzuhören – mangels Nachfolge oder wegen fehlender oder Zukunftsperspektiven.

Was passiert denn mit dem Geld von der Maut?

Das Geld wird nur noch zum Teil in die Straßeninfrastruktur investiert, obwohl hier die meisten Güter transportiert werden. Das Geld geht rüber in die Bahn – und deren Qualität ist so schlecht wie noch nie, weil hier die Infrastruktur auch mies ist. Gleichzeitig fallen Vergünstigungen wie die Trassenpreisrabatte – ab 2025 steigen die Trassenpreise für Güterverkehr und Personenfernverkehr um 16 Prozent, der ÖPNV bleibt gleich. Das macht den Transport wieder teurer. Und dann sagt die Politik, wir müssen mehr Güter auf die Schiene bringen. Das widerspricht sich und kann nicht klappen.

An welchen Stellschrauben müsste die Politik drehen, um die Lage bei der Verlagerung von Transporten von der Straße auf die Schiene zu verbessern?

Man müsste den Vor- und den Nachlauf des Transports, also die Wege vom Kunden zum Terminal und vom Terminal zum Kunden von der Maut befreien. Das gibt auch die Gesetzeslage her.

Eine andere Stellschraube wäre es, kurzlaufende Bahnverkehre zu subventionieren. Bei Strecken unter 400 Kilometer ist es unwirtschaftlich, die Güter auf die Bahn zu verlagern. Die Entfernung ist zu gering.

Diese Verkehre müssen entweder subventioniert werden oder der Kunde bekommt einen Benefit, damit auch der Auftraggeber etwas davon hat, wenn der Transport auf der Schiene erfolgt. Die Schweiz macht das so. Das sind nur zwei Beispiele von vielen.

Was könnte die Politik für die Lkw-Spediteure tun?

Massiv mit der Bürokratie zurückfahren, Genehmigungen schneller und unkomplizierter erteilen. Sehr hilfreich wäre es auch, wenn die Politik den Zugang zu Fahrern aus Drittländern wirklich erleichtern würde. Es geht um die Anerkennung von Führerscheinen, Berufskraftfahrerqualifikation und Berufsanerkenntnissen. Hier ist zwar schon etwas vorangegangen, aber das reicht noch nicht aus, das sind alles Tropfen auf dem heißen Stein. ´

Lieferkettensicherheiten-Gesetz, Whistleblowergesetz, CSRD-Nachhaltigkeitsberichtserstattung zu implementieren – das ist ein Wahnsinns-Aufwand, das in den kommenden Jahren die kleinen und mittleren Unternehmen treffen wird.

Warum ist die Infrastruktur so schlecht?

Es sind einfach keine Mittel aus dem Haushalt locker gemacht worden, man ist auf Verschleiß gefahren. Und jetzt nehmen wir 84 Prozent mehr Maut ein, verdoppeln im Prinzip die Einnahmen und trotzdem bekommen wir weniger Geld für die Verkehrsinfrastruktur.

Das Interview führte

Karin Zehentner.

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