In den meisten Städten der Welt gehen Besucherinnen und Besucher ins Museum, um sich Kunst anzuschauen. Nicht so in Nantes: In der kreativen Stadt an der Loire südlich der Bretagne liegt die Kunst auf der Straße. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn die ehemalige Industriestadt hat sich in den 1990er-Jahren als Zentrum für Open-Air-Kunst neu erfunden. In allen Ecken der Stadt finden sich Kunstwerke und Installationen unter freiem Himmel. Verbunden sind sie durch die Grüne Linie, der man das ganze Jahr über durch alle Stadtteile zu mehr als 60 Freilicht-Kunstwerken folgen kann. Und diese Kunstsammlung wird jedes Jahr erweitert: Denn alljährlich werden im Sommer beim Kunstfestival Le Voyage à Nantes (Die Reise nach Nantes) etwa 20 neue Werke präsentiert, von denen die beliebtesten dauerhaft in den Kunst-Parcours der Stadt aufgenommen werden. 2024 lädt das Festival Le Voyage à Nantes noch bis 8. September dazu ein, das gesellige, bunte Stadtleben mit seinen rund 80 größtenteils kostenfreien Kunstwerken und Kulturveranstaltungen zu erleben.
Wo die Kunst in den Bäumen hängt
In diesem Jahr beschäftigen sich die Künstlerinnen und Künstler des Festivals mit Statisten, die in jeder Stadt zu finden sind, aber im Alltag oft zu wenig wahrgenommen werden: den Bäumen. Einige haben Installationen direkt in den Bäumen geschaffen – selbstverständlich ohne ihnen dabei Schaden zuzufügen. So zum Beispiel die taiwanesische Künstlerin Yuhsin U Chang, die einen Baum auf dem Square Maurice-Schwob zum Zentrum ihrer Installation gemacht hat. Für „Un Pinus pinea en l’an 2252“ (Eine Pinie im Jahr 2252) hat sie mit Blick auf die mögliche Lebensdauer der Pinie berechnet, wie groß der Durchmesser des Baumstammes im Jahr 2252 wäre, einen hypothetischen Stamm kreiert und diesen vorsichtig in den Baum eingearbeitet. Eine Zeitreise in die Zukunft, die den Betrachtenden vor Augen führt, wie kurz die menschliche Lebenszeit im Vergleich zu der der Bäume ist. Auf der Place Graslin stellt Henrique Oliveira das Holz in den Fokus seines Kunstwerks. Der Brasilianer erforscht die Verbindung zwischen Mensch, Natur und Architektur. Seine Objekte sind stets von einem Hauch des Fantastischen umgeben. Für das sommerliche Kunst- Open-Air in Nantes hat er unter dem Namen „Fitzcarraldo Dream“ einen überdimensionalen Baum geschaffen, der aus den Steinen des zentralen Platzes erwächst und sich über das Pflaster bis zum Theater Graslin windet. Kreiert aus Holzresten von Baustellen, hinterfragt das Objekt das Zusammenspiel zwischen Natur und von Menschen geschaffener Kunst und erinnert die Betrachtenden an die Schönheit dessen, was oft als alltäglich und vergänglich angesehen wird.
Weitere Infos auf der englischen Website von Le Voyage à Nantes: www.
levoyageanantes.fr/en/.