Alagadi-Beach ist einer der bestkontrollierten Strände des Mittelmeers. Rund um die Uhr geht in der Bucht vor der Hafenstadt Girne im Norden Zyperns eine internationale Schutztruppe auf Patrouille. Ihre Wachsamkeit gilt den Nestern der Grünen Meeresschildkröte, die zu den bedrohten Tierarten zählen. Knapp 1000 „Grüne“ gibt es noch im Mittelmeer – und jede Dritte verbuddelt ihre Eier, rund 100 pro Nest, an den Stränden Zyperns. „Normalerweise“, sagt Projektleiter Robin Snape, „kommt nicht mal eine von tausend geschlüpften Schildkröten durch.“ Vor den Gefahren im Meer können die freiwilligen Helfer ihre Schützlinge nicht bewahren, doch den Weg ins Wasser können sie sichern. Wer am Schildkrötenstrand von Alagadi Station macht, lernt den Norden Zyperns von seiner schönsten Seite kennen: Als den Teil der Insel, der noch von und mit der Natur lebt.
Verfahrene
Situation
Auf Zypern sind die Touristenströme höchst ungleich verteilt: Die Urlauber im griechisch-zyprischen Süden gehen in die Millionen, in den türkisch-zyprischen Norden kommen nur ein paar Hunderttausend Ausländer.
Grund dafür ist die verfahrene politische Situation, die schon 50 Jahre andauert. Seit 1974 nach einem Putsch griechischer Nationalisten gegen die zyprische Regierung und der Intervention der türkischen Armee ist die Insel zweigeteilt. Zwar ist die gesamte Insel seit 2004 EU-Mitglied – das EU-Recht und -Regelwerk gelten jedoch nur im Süden. Die 1983 ausgerufene Türkische Republik Nordzypern hingegen, wo Tausende türkische Soldaten stationiert sind, wird weltweit nur von der Türkei anerkannt.
Klar, auch im ursprünglichen Norden gibt es internationale Hotels. Aber: „Deutsche Touristen“, sagt der zyprische Journalist Nazmi Pinar, „kommen nicht zum Baden zu uns, sondern zum Sightseeing und Wandern.“ Das Besparmak-Gebirge ist zum Wandern ideal: einsam und fast wie in der heilen Welt geht es auf der 80 Kilometer langen Halbinsel Karpas zu, wo die Hotels ganz klein, die Dünen am Meer dafür riesengroß und von mehr wilden Eseln als von Touristen bevölkert sind.
Die Tiere gehörten einst griechisch-zyprischen Bauern, nach deren Vertreibung überließ man die Esel sich selbst. Und sie gedeihen prächtig. Gerne fressen sie Besuchern aus der Hand. Vorwitzige stecken auch den Kopf durch heruntergefahrene Autoscheiben.
Friedliche
Koexistenz
Vernarbt sind die Wunden von Gewalt und Vertreibung noch nicht. Zu tief sitzt die Erinnerung an 1974, als rund 200000 griechische Zyprer in den Süden und 45000 türkische in den Norden deportiert oder zur Flucht gezwungen wurden. Inzwischen ist die jahrzehntelang mit Stacheldraht gesicherte Trennungslinie durchlässiger geworden. Wo beide Bevölkerungsgruppen zusammentreffen, übt man sich in friedlicher Koexistenz.
Im Dorf Dipkarpas etwa leben neben 1200 türkischen Zyprern und Einwanderern noch immer 230 griechische Zyprer, die türkisch so gut beherrschen wie ihre Muttersprache. Die Kinder gehen in eine eigene Schule, die Alten palavern im „Rum Kahvesi“, dem Kaffeehaus.
Gemeinsam haben beide Volksgruppen ohnehin jede Menge, auch wenn manches verschiedene Namen hat. Den Hellim respektive Halloumi zum Beispiel – den einzigen Käse der Welt, der aus der Milch von Kühen, Ziegen und Schafen hergestellt wird. Oder die Ceviz Macunu (griechisch: Karydaki Glyko), ein Nachtisch aus eingelegten Walnüssen, für dessen Zubereitung zyprische Hausfrauen zwei bis drei Wochen brauchen.
Ruinen und
Konzerte
Untrennbar verbunden sind beide Inselteile ohnehin durch eine jahrtausendealte Geschichte. Ihr nachspüren lässt sich in den Ruinen des antiken Salamis, das einst 120000 Menschen Heimat bot, ehe der größte Teil der Stadt im Meer verschwand. Besuche lohnen sich auch in Soli und Vuni, uralten Bergstädten mit atemberaubendem Fernblick, oder im Hafen von Girne mit dem 2300 Jahre alten Schiffswrack. Nicht zu vergessen das spektakuläre Hilarion, das über 450 Treppenstufen mühsam erobert sein will.
Oder Bellapais. Der Ort, in dem der „Baum des Müßiggangs“ steht und vor dem Lawrence Durrel im Roman „Bittere Limonen“ warnt: „Der Schatten dieses Baumes macht den Menschen unfähig zu ernster Arbeit.“ Wer in Norden Zyperns Ferien macht, wird den Müßiggang hemmungslos genießen. Joachim Hauck/ dpa