Tipps für den Klettertrip

Steil, steiler, Kalkwand

von Redaktion

Im Norden Italiens können Kletterbegeisterte eine senkrechte Wand erklimmen – und das vor wunderschöner Kulisse. Eine Portion Mut einpacken und schon kann es losgehen.

Im Nordwesten Italiens gibt es eine Region, die vom Massentourismus bisher weitestgehend verschont beliebt, aber für Urlauber einiges zu bieten hat. Friaul-Julisch Venetien ist gerade für Wander- und Kletterbegeisterte ein Jackpot. Denn das Gebiet ist von einer unverwechselbaren Berglandschaft geprägt. Die Friaulischen Dolomiten, Karnischen- sowie Julischen Alpen stehen für Gipfelstürmer bereit. Zahlreiche Routen durchziehen die grüne, unberührte Landschaft. Von Menschenmassen ist man hier im Norden Italiens noch weit entfernt. Ein Juwel in Sachen Sportklettern befindet sich auf rund 1900 Metern Höhe in den Karnischen Alpen in der Nähe des Ortes Paluzza: der Avostanis-Klettergarten. Dieser liegt oberhalb eines Gletschersees, in dessen Wasser sich die Wolken und umliegenden Berge spiegeln – wenn nicht gerade Nebel oder tiefe Wolken die Sicht behindern.

Denn genau das ist der Fall, als ich mit einer kleinen Reisegruppe das Ziel der Wanderung erreiche. „Wo soll hier der See sein?“ – diese Frage kann man uns allen direkt vom Gesicht ablesen. Doch zum Glück verziehen sich die Wolken wenig später und wir haben eine grandiose Aussicht auf das hochgelegene Gewässer – und die Felswand.

Griffiger Stein trifft auf traumhaftes Panorama

Die Kalkwand ist rund 100 Meter hoch und knappe 300 Meter breit. Sportkletterer, von Anfänger bis Profi, können sich hier austoben und austesten. Der Fels ist extrem griffig, hat allerdings auch scharfe Kanten. Ich kann meine Freude kaum zügeln als wir endlich die passende Route gefunden haben und es heißt: Helm auf und Klettergurt an. Denn selbst wenn man nur an der Wand steht, ist es ratsam, sich vor den Steinen, die von den anderen losgetreten werden könnten, zu schützen. Leider hatte ich meine Kletterschuhe nicht dabei – aber auch mit Bergschuhen kann man sich gut halten und einen Weg nach oben suchen. Vor allem, wenn man eine leichte Route vor sich hat. Dank der senkrechten Rillen gibt es genug Halt und man kommt gut voran – ich habe dauerhaft ein Grinsen im Gesicht. Neben uns tummeln sich Einheimische, die ihre Kletterpartie sichtlich genießen.

Unser Bergführer, der 35-jährige Alex Corrò aus dem nahegelegenen Ort Sappada, hat hier schon einige Erstbegehungen gemacht. Er liebe das Bergsteigen, doch seine Passion sei das Sportklettern, erklärt uns der drahtige Norditaliener. Das glaubt man sofort, schließlich wirft er der Felswand solch verliebte Blicke zu, wie ich meinem ersten Kaffee am Tag.

Wer sich die Wand von oben ansehen möchte, sollte den Avostanis-Gipfel besteigen. Vom See führt der Weg über einen Pfad rechts hinauf zum Sattel, in dessen Nähe sich zahlreiche Reste von Stellungen aus dem Ersten Weltkrieg befinden. Danach geht es weiter hinauf zum Gipfel. Rund eine Stunde braucht man für die Strecke. Oben werden Fleißige mit einer Aussicht auf die umliegenden Bergketten belohnt.

Die Route zum Klettergarten

Um an die Felswand zu kommen, fährt man zur Hütte Malga­Pramosio auf 1521 Meter, hier gibt es genügend Parkplätze. Von dort führt ein einfacher Wanderweg hinauf, man passiert auf dem Weg die Morgante-Hütte – auch Casera Malpasso (1619 Meter) genannt. Die Route führt weiter bis zur Schutzhütte Casera Pramosio Alta, die direkt am Gletschersee und dem Klettergarten liegt. Ein wenig Geschichte gibt es auch: Auf der Strecke kommt man an einem Gedenkstein vorbei, der Maria Polzner gewidmet ist. Sie war eine der Frauen, die während des Ersten Weltkrieges die italienischen Soldaten in den Bergen versorgte. Durch einen Schuss kam sie ums Leben. Anna Wagner

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