Komm, wir fahren nach Panama!

von Redaktion

Wie der Tourismus ein Dorf der Emberá rettet

Barfüßige Indigene in bunten Trachten empfangen Dorfbesucher mit Tanz und Musik – diese Konstellation klingt eigentlich ungut. Da denkt man an aufgesetzte Authentizität, eine touristisch- sowie folkloristische-Showtime. Schauplatz ist Parará Purú, eine Siedlung des Volkes der Emberá, in Panamas Inland im Nationalpark Chagres über den Flussufern des Rio Chagres gelegen, der den berühmten Panamakanal speist. Piraguas, motorisierte Holzboote, dienen in der Gegend als einziges Transportmittel.

Natürlich haben die Emberá das Geld im Sinn, das die Besucher in die Kasse spülen. Doch Anel Zarco gibt einen anderen Dreh der Betrachtung. „Der Tourismus ist unsere einzige Einkommensquelle. Nur so können wir unsere Kultur und Lebensweise aufrechterhalten und präsentieren“, sagt der 30-Jährige. Er trägt einen kurzen Rock, ist hier aufgewachsen und spricht über die eigene Sprache hinaus fließend Spanisch.

Keine Autos,
keine Fernseher

Ein Ausflugspaket zu den Emberá enthält eine am Alajuelasee startende Piragua-Tour durch die Weiten des Flusssystems bis zum Wasserfall Quebrada Bonita. Vorn an Bord steht Zarco, der bei der schmalen Zufahrt hilft, das Boot mit einem langen Holzstab durch das Grün zu manövrieren.

Später begleitet er die Gäste zur Begrüßungszeremonie in Parará Purú und durch das 120-Einwohner-Dorf. Es gibt keine Autos, keine Fernseher. Strohgedeckte Hütten stehen auf Holz- und Betonstelzen. Daneben trocknet Wäsche. Hunde und Hühner laufen herum, Jungs in Lendenschurzen. Eidechsen huschen umher. In einem Baum verschwindet ein Leguan. Zarco führt in ein winziges Ein-Raum-Museum mit Musikin­strumenten und Küchenutensilien. Mehrere verblasste Fotos zeigen seinen Urgroßvater Antonio Zarco, der das US-Mondlandungsteam um den Astronauten Neil Armstrong zuvor in Survival-Techniken unterrichtet habe, erzählt der Urenkel voller Stolz.

Besucher finanzierten die Dorfschule

Kulturübergreifende Kontakte sind bei den Emberá nicht neu, aber ähnlich gelagerte Partnerschaften tabu. „Es gibt interne Gesetze“, sagt Dorfvorsteher Brenio Dogirama, 55 Jahre alt. Wer sich in Liebesdingen für Nicht-Emberá entscheidet, muss die Gemeinschaft verlassen. Zu Dogiramas Selbstverständnis zählt, den Besuchern in einem Vortrag alles rund ums Leben der Indigenen zu erklären.

Aus dem Sammeltopf der touristischen Einnahmen erhält jede der 33 Familien alle zwei Wochen 100 Dollar. Wichtig ist Dogirama ein Hinweis zum Gebäude der Dorfschule: Diese sei Dank der Besuchergelder finanziert worden. Die beiden Lehrerinnen dagegen erhalten ihr Honorar vom Staat. Wer fleißig ist wie Yaribet Tócamo, stellt Kunsthandwerk aus Palmfasern her und verkauft es an Touristen. Der Verdienst geht direkt in die eigene Tasche. „Damit kann ich Schulhefte kaufen oder Schuluniformen“, sagt sie. Tócamo, mit 26 Jahren dreifache Mutter, schätzt das „friedliche Leben“ im Dorf.

Parará Purú, was übersetzt „Dorf der Palmen“ bedeutet, wirkt wie eine Blase aus Zeit und Raum. Doch sich gegen die Fangarme des Fortschritts zu wehren, das funktioniert nicht. Da er die Besuche koordinieren muss, genießt Ortsvorsteher Dogirama als einer der wenigen das Privileg eines Handys. „Das Dorf verlangt nach Strom“, umreißt er eine andere Aufgabe der Zukunft. Das sei letztlich auch für die Schule wichtig und das Lernen mit Computern.

Der Besuch klingt musikalisch aus und hinterlässt einen tiefen Eindruck. Durch den Tourismus sind diese Emberá vom Teufelskreis der Entwurzelung, Landflucht und Armut verschont geblieben. Anel Zarco sagt: „In manchen Ländern sind indigene Kulturen verschwunden. Wir sind stolz, Indigene zu sein, und fühlen uns geehrt, dass andere Menschen unsere Kultur kennenlernen möchten.“ Andreas Drouve/dpa

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