Zum Winzer in Italien werden

von Redaktion

Wer es schafft, vor Sonnenaufgang aufzustehen, darf mithelfen

In den sanften Hügeln der Marken duftet es nach reifen Trauben. Die Region ist berühmt für ihre rustikale Schönheit. Mittendrin in der Provinz von Ancona liegt das Weingut ­Tenuta San ­Marcello.

„Benvenuti“, ruft Massimo Palmieri, als wir auf seinen Hof fahren. Er kommt aus Apulien, war lange in Mailand tätig, hier hat er sich seinen Traum erfüllt. „Meine Frau Pascale ist Französin und ein Genussmensch wie ich. Wir haben in der Stadt die Arbeit mit den Händen, die Erdung, die Natur vermisst.“ Jetzt blickt er von früh bis spät auf sanfte Hügel, Wälder, Weinfelder. Auf Letzteres nimmt er uns jetzt mit. „Die Erntezeit ist wie der Herzschlag eines ganzen Jahres für uns“, erklärt Massimo, der zum passionierten Winzer wurde und auf seinem Stück Land ein biologisch geführtes Weingut hochzog. Immer im Herbst, wenn die Weinernte ansteht, ist er aufgeregt wie ein Kind an Weihnachten kurz vor der Bescherung. „Alles, was wir das Jahr über mit viel Liebe geleistet haben – das Beschneiden der Reben, das Pflegen des Bodens, das Warten auf den richtigen Zeitpunkt – gipfelt in diese Tage.“

Wein in Amphoren

Doch Weinernte ist nicht gleich Weinernte, lernen wir auf der Tenuta San Marcello. Massimo hat sich der Weinproduktion in Amphoren verschrieben. Diese Art der Herstellung lernte er während einer Reise durch Georgien kennen. Die Lagerung des Weins in sogenannten Qvevris ist eine der ältesten Methoden der Weinherstellung und geht auf eine mehr als 8000 Jahre alte Tradition zurück. Das Besondere daran ist, dass sie ohne moderne Technik auskommt und den Wein in seinen ursprünglichsten Aromen und Eigenschaften bewahrt. Die traditionellen Tongefäße werden tief in die Erde eingegraben, was für eine stabile Temperatur und Feuchtigkeit sorgt und eine schonende, naturnahe Reifung erlaubt.

Geerntet wird am frühen Morgen vor Sonnenaufgang. Jeder von Massimos Gästen, der Lust hat, mitzuhelfen, bekommt ein kleines, scharfes Messer und einen Korb in die Hand gedrückt. Massimo zeigt, wie man die Trauben vorsichtig vom Rebstock schneidet, um sie nicht zu verletzen. „Die Traube muss unversehrt sein“, erklärt er. Wie fast alle Winzer der Vignaioli delle Marche, ein Zusammenschluss von Winzern in den Marken, betreibt auch er biodynamischen Weinbau. „Wir folgen dem Rhythmus der Natur, passen uns den Zyklen der Erde an.“

Ein knochenharter Job

Die Trauben sind saftig und schwer, das Bücken wird nach einer Weile zur echten Herausforderung. Doch die Leidenschaft und Freude der anderen Erntehelfer ist ansteckend. Es wird gelacht, dann wieder still, fast meditativ gearbeitet. Zwischendrin hört man Massimo schwärmen, von den Weinen der Marken: der fruchtige Lacrima, dem charaktervollen Verdicchio.

Nach der Lese werden die Trauben, einschließlich Schale, Kernen und Stielen, direkt in die Qvevris gegeben. Die Amphoren werden mit einem Deckel verschlossen und versiegelt, wodurch eine natürliche Gärung ohne Zusätze beginnt. Dieser Prozess, der oft über Monate hinweg dauert, ermöglicht dem Wein, intensive Aromen zu entwickeln. Das Resultat ist ein fast orangefarbener Wein – mit mineralischer Note. Gleichzeitig oxidieren die Weine durch die Lagerung im Boden weniger, was zu einer außergewöhnlichen Langlebigkeit führt. Die georgische Qvevri-Methode – die man hier in den Marken bei Massimo findet – ist übrigens ein UNESCO-Kulturerbe und fasziniert immer mehr Weinliebhaber weltweit.

Als wir in Massimos Weinkeller die ersten Gläser verkosten, sind wir fast ein bisschen gerührt. „Wein ist wie ein Spiegel“, sagt er. „Er reflektiert die Erde, das Klima, die Jahreszeiten – und die Liebe der Menschen, die ihn machen.“ Es stimmt. Wir schmecken ganz viel Sonne, Erde, Freude und Leidenschaft.

Mithelfen macht Freude

Urlaub zwischen Reben, das geht in den Marken nicht nur bei Massimo auf dem Tenuta San Marcello (tenutasanmarcello.net), sondern auch ein paar Kilometer entfernt im exklusiven Resort Filodivino (www.filodivino.it). Hier haben sich Alida und Alberto, der früher eine eigene Textilfirma hatte, einen Traum vom Luxus-Weingut mit Spa erfüllt. Ziemlich ausgefallen schlummert man im Weinfass der Cantina Broccanera.

Tipp: Wer die Top-Weine des Konsortiums Vignaioli delle Marche (www.­vignaiolidellemarche.com) schon kommende Woche verkosten will, hat übrigens jetzt am 26. Oktober die Möglichkeit dazu. Da reisen die Winzer aus den Marken nach Markt Schwaben an. Die „Genussreise durch die Marken“ findet im Bürgersaal im Unterbräu (Marktplatz 31) von 13 bis 19 Uhr. Der Eintritt ist frei.Julitta Ammerschläger

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