Reise-Infos:

Gemütliches Leben am mythischen Berg

von Redaktion

Halb Mensch, halb Pferd: In den Bergen auf der griechischen Pilion-Halbinsel sollen einst die Zentauren gelebt haben. Heute zieht es die Ruheliebenden dorthin, wo Geschichte lebt, die Natur üppig ist und das Essen bodenständig.

Faszinierend, wie Anita Cota den Teig vor sich ausrollt. Mit einem dünnen Holzstab drückt sie ihn von der Innenseite nach außen, rollt genau zweimal, wieder und wieder. Der Filoteig wird immer dünner, so, wie die junge Albanerin ihn haben will. Ein Rezept? Mehl, Wasser, Salz. Ohne Grammangaben. Man muss ein Gefühl für den Teig haben. Weiteres Geheimnis eines guten Strudels sind die vielen Schichten. Und viel Olivenöl, wie wir in diesem Kochkurs lernen.

Für den herzhaften Kuchen haben die Teilnehmer auf der Karaiskos-Farm in Portaria geerntet, hoch über Volos und dem Pagasitischen Golf, im Osten des griechischen Festlandes. Im Garten des Hofes gedeiht auch jenseits des Sommers Gemüse: Brokkoli, Blattgemüse, Frühlingszwiebeln. Und duftende Kräuter: Dill, Petersilie, Rosmarin, Lavendel.

Während Koch George Kandilas den Ofen anheizt und der Filoteig ruht, werden die Zutaten geschnitten, vermengt und kräftig gewürzt. Dabei verrät er die Geheimnisse eines guten Zazikis, das zu dem grünen Kuchen gehört wie das Salz zum gekochten Ei: griechischer Joghurt, Olivenöl, gut abgeseihte Gurken und Knoblauch. Kräuter nach Gusto.

Lebendige Traditionen

Traditionelle griechische Küche findet man in der Region Pilion in jeder Gaststätte. Auch wenn es nach Athen gut vier Stunden sind und nach Thessaloniki drei – die Griechen hält das nicht davon ab, über das Wochenende hierher in die Berge zu fahren. Das Leben ist einfach, und die Städter finden hier Ruhe.

In Portaria wohnen rund ums Jahr etwa 800 Menschen, an den Wochenenden vervielfacht sich die Einwohnerzahl, sogar im Winter. Wer sich nach dem guten und vielen Essen bewegen mag: Ein herrliches Wanderrevier ist die Gegend rund um Kala Nera, Pinakates, Vizitsa oder Milies.

Auf den Weg kann man sich auch mit Manos Manou machen. Er ist Pflanzenkundler in Portaria. Seine Rundgänge führen über steile Wege und durch schmale Gassen, die über und über bewachsen sind – Rosmarin und andere Kräuter sprießen am Straßenrand. Olivenbäume sieht man selten, ihnen ist es hier zu kalt. „Hier kann nicht alles überleben, was weiter unten wächst.“

Das Leben von und mit der Natur ist man hier gewohnt. Und das Leben mit alten Traditionen und Handwerken, die gepflegt werden – und die Besucher erlernen können. So wie in der Estia Pelion. Hier arbeitet Antigoni Tsirogianni konzentriert an zwei Webstühlen, macht feine Stoffe und grobe Teppiche, mit Streifen, Mustern, Puscheln und anderen aufwendigen Verzierungen.

Christos Gianakopoulos wiederum ist Töpfer. Doch er stellt nicht nur Vasen und Schalen aus kühlem Ton her, sondern begeistert sich auch für die Geschichte der Töpferei in Griechenland. Alte Tonscherben findet man in der Nähe der kleinen Ortschaft. Nebenbei weist er in seine Kunst ein, die für manche wie eine Therapie sei. „Ganz einfach ist es nicht für ungeübte Finger, ein gleichmäßiges bauchiges Gefäß zu formen“, sagt er. Antigoni nickt zustimmend. Die Holzschiffchen durch die Fäden des Webstuhls zu befördern und gleichzeitig mit den Füßen die Richtung der Fäden zu bestimmen, ist auch eine Kunst für sich.

Wo die Zentauren herrschten

Doch natürlich: In Griechenland ist kein Berg ohne Mythos. Das gilt auch für die drei Berge rund um den Pilion, die auf der Rückseite des heiligen Berges Olymp liegen. Die Zentauren, halb Mensch, halb Pferd, sollen einst in Pilio geherrscht haben – der weiseste von ihnen war Chiron, der Medizin lehrte und sowohl Achilles als auch Asklepios in seine Geheimnisse eingeweiht haben soll.

Die Region oberhalb von Volos und dem Golf kann man nicht nur zu Fuß oder mit dem Auto erkunden, sondern auch mit der Bahn. Versteckt im Wald liegen 60 Zentimeter breite Schienen, die von Ano Lechoria nach Milies führen. Für die recht kurze Strecke braucht die Bahn gute eineinhalb Stunden, sie windet sich die Berge hinauf und hinunter, teils über beeindruckend hohe Brücken.

In Makrinitsa, eine ebenbürtig abenteuerliche Autofahrt über schmale Bergstraßen, lohnt nicht nur ein entspannter Gang durch den kopfsteingepflasterten Ort, der in den Fels geschlagen scheint, sondern auch ein Besuch des modernen byzantinischen Museums mit seinen Ikonen und Kirchenschätzen. Im 13. Jahrhundert wurde hier ein Kloster gegründet, während der Herrschaft der Osmanen entstanden zahlreiche Herrenhäuser. Sie sind, genau wie die Kirchen und das Gemälde des griechischen Volksmalers Theofilos, gut erhalten und stehen teils unter Denkmalschutz.

Bei all der Geschichte und den Geschichten ist an jedem Abend eines sicher: In Portaria wird es wieder herrlich ruhig sein. In den Restaurants gibt es gutes Essen und gute Gespräche mit den Einheimischen und den anderen Gästen von nah und fern. Und der grüne Kuchen aus dem knusprigen Filoteig schmeckt besonders gut, nachdem man nun die Geheimnisse des Teigs und der Füllung kennt – und den Aufwand, der in der Zubereitung steckt. Verena Wolff/dpa

Artikel 6 von 11