Das Höfesterben geht weiter, auch in Bayern: Laut einer Studie der DZ Bank (2024) werden bis 2040 von den rund 260000 landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland nur noch die Hälfte existieren. Im gleichen Zeitraum werde die Durchschnittsgröße eines Betriebs von 64,8 Hektar auf 160 Hektar zulegen. „Das sind dann nur noch Großbetriebe. Kleinere Landwirtschaften werden nur überleben, wenn sie Nischen finden oder sich in Genossenschaften zusammenschließen. Komisch ist: Die Bevölkerung will das nicht, die Politiker nicht, die meisten Landwirte auch nicht und trotzdem passiert es. Wer oder was steckt hinter dieser Entwicklung?“ Das fragt sich Wolfgang Wörz aus Nesselwang im Allgäu schon lange. Er ist der Landesvorsitzende des Verbandes der Landwirte im Nebenberuf. Viele der Mitgliedsbetriebe kommen aus den Landkreisen Mühldorf, Rosenheim und Traunstein.
Immer mehr Betriebe
im Nebenerwerb
Der Verband der Landwirte im Nebenberuf ist weit weniger bekannt als etwa der Bayerische Bauernverband (BBV) oder der AbL (Arbeitskreis bäuerliche Landwirtschaft). Schaut man sich die Zahlen an, müsste das eigentlich umgekehrt sein. Schließlich gibt es in Bayern weit mehr Betriebe im Nebenerwerb als im Haupterwerb. Für 2023 zählt der bayerische Agrarbericht insgesamt 100735 landwirtschaftliche Betriebe, davon 74250 Einzelbetriebe: 33670 im Haupterwerb (45,33 Prozent) und 40580 (54,67 Prozent) im Nebenerwerb.
Alternative
Einkommensquelle
Zwei Drittel der Betriebe haben mindestens eine Art der Einkommensalternative, angefangen von der Direktvermarktung über Tourismusangebote bis hin zu land-, forst- und hauswirtschaftlichen Dienstleistungen.
Wunsch und
Wirklichkeit
Der Agrarbericht, der alle zwei Jahre von der Staatsregierung erhoben wird, betont, dass man die kleinen bäuerlichen Familienbetriebe erhalten wolle. Die Rede ist von einem eigenständigen, bayerischen Weg, einem gleichwertigen Miteinander von Voll-, Zu- und Nebenerwerbsbetrieben. Doch die Abkehr vom Grundsatz „Wachsen oder Weichen“ als alleinige Betriebsentwicklungsstrategie ist für Wolfgang Wörz mehr Wunsch als Wirklichkeit. Das Höfesterben geht weiter: „Je kleiner die Betriebe, umso schneller verschwinden sie. Zu ungewiss, zu unwirtschaftlich. Das gilt mittlerweile auch für mittelgroße Haupterwerbsbetriebe“, so seine Beobachtung.
Kleinere Betriebe hatten schon in den 60er-Jahren Existenzprobleme. „Oft nahm einer in der Familie eine Arbeit außerhalb des Betriebs an, um Geld für den Ausbau des Familienbetriebs zu beschaffen. Sie haben der These ‚Wachse oder Weiche‘ geglaubt“, so Wörz. Die Nachfolgegenerationen gingen diesen Weg oft nicht mit: „Sie haben gemerkt, dass sie so keine Chance haben.“ Heute sind viele Hoferben sehr gut ausgebildet, wechseln vom Haupt- in den Nebenerwerb, weil sie in gut bezahlten Berufen arbeiten, oder setzen auf andere Einkommensquellen wie Energie oder Tourismus. „Da kommt unterm Strich oft mehr raus, als durch landwirtschaftliches Wirtschaften.“
Die Betriebe, die dennoch weiterhin Landwirtschaft betreiben, sind meist im Ackerbau tätig: „Wenn man keine Viehhaltung hat, ist der Saisonbetrieb leichter zu bewältigen. Viehhaltung bedeutet, dass sich immer jemand kümmern muss. Vereinzelt gibt es auch Betriebe, die auf Sonderkulturen wie Weinbau oder Gewürzanbau setzen“, so der Landesvorsitzende. Ob Ackerbau oder Viehzucht: Die Gewinnspanne ist in beiden Fällen der häufigste Grund, weshalb die Bewirtschaftung des eigenen Hofs nur als Nebenjob ausgeübt wird. Im Arbeitsverhältnis sind Gehalt, Urlaub oder Krankheitstage abgesichert, während die Arbeit als Landwirt deutlich unsicherer ist.
Gefahr, dass man
sich aufarbeitet
Aber auch im Nebenjob verlangt der Betrieb einen hohen Zeitaufwand. Nach der Erwerbsarbeit geht es noch aufs Feld oder in den Stall und das auch am Wochenende. „Dauerhafte 60- bis 80-Stunden-Wochen sind bei der Balance zwischen Landwirtschaft und Beruf keine Seltenheit“, weiß Wörz. Der anhaltende Stress kann krank machen.
Die größten Herausforderungen sieht er in der Frage der Hofnachfolge und auch in der Bürokratie. Denn ganz aufgeben wollen die meisten trotz des Arbeitsaufwandes nicht.
Überhaupt sei das Interesse an der Landwirtschaft trotz aller Hürden hoch: „Mittlerweile gibt es viele junge Leute, die gar nicht aus der Landwirtschaft kommen, eine entsprechende Ausbildung mitbringen und einen Betrieb suchen.“ Aber der müsse dann die Familie auch ernähren können: „Will man in Bayern wirklich viele Betriebe erhalten, müssen die kleineren Höfe besser gefördert werden. Es gibt Förderungen, aber die Beträge sind so minimal, dass davon kein Betrieb überleben kann. In Österreich funktioniert das viel besser“, so seine Kritik. Und zur Wahrheit gehört für ihn auch: „Je mehr kleine Betriebe, vor allem in der Milchviehhaltung, aufgeben, umso mehr profitieren große Betriebe.“
Überbordende
Bürokratie
Ein Problem, das die gesamte Branche betrifft, ist die Bürokratie: „Wenn ich das mache, will ich mich auf die Arbeit konzentrieren und nicht stundenlang am Schreibtisch hocken. Allein die Düngeverordnung enthält Vorschriften ohne Ende. Hier hat sich zwar ein bisschen was getan, aber die jährliche Antragstellung kostet unendlich Zeit.“ Baurecht, Flächenmonitoring, es gebe so vieles zu beachten.
Unterstützungs-
angebote
Unterstützung bekommen Landwirte bei allen drei Verbänden. „Auch der BBV hat eine Abteilung für Nebenerwerbsbetriebe, aber eher für große Betriebe. Der AbL macht keinen Unterschied zwischen Haupt- und Nebenerwerbsbetrieben. Er vertritt die Interessen von kleinen und mittelgroßen Betrieben. Wir vertreten hauptsächlich kleinstrukturierte Betriebe“, erklärt Wörz. Sein Verband bietet vor allem persönliche Beratung im Einzelfall an: „Oft geht es zum Beispiel um Enkelkinder, die eine kleine Landwirtschaft erben. Wie kann es weitergehen? Andere wollen einen Betrieb wieder aktivieren oder neu gründen. Hier zeigen wir Wege auf.“
Das erklärte Ziel seines Verbandes: „Die Bauernhöfe sollen in der Hand bleiben, in der sie seit Generationen sind oder von jungen Leuten übernommen werden, die an der Landwirtschaft interessiert sind, wenn die Hofnachfolge innerhalb der Familie nicht möglich ist!“ vk