Sri Lankas Elefanten in Not

von Redaktion

Es gibt viele Gründe, nach Sri Lanka zu reisen. Unser Autor Klaus Rimpel (l.) besuchte die Insel, um die einzigartige Tierwelt zu erleben. Und er traf Menschen, die dafür kämpfen, dass die vielfältig bedrohte Natur auch für die Elefantenfamilien dort ein Paradies bleibt.

„Das alles war Elefanten-Land – erst vor 150 Jahren zogen Menschen hierher.“ Ajith Lokuge, Ökologe der Zoologischen Vereinigung von Sri Lanka, steht auf einem 1400 Meter hoch gelegenen Aussichtspunkt in den Punagala-Bergen und zeigt auf von Dschungel überwucherte Hügel. „Vor zwei Generationen gehörte dieses Land allein den Tieren“, sagt der drahtige 65-Jährige. Die englischen Kolonialherren pflanzten hier zwar auch Kautschukbäume. „Aber die schmecken den Elefanten nicht.“ Erst vor rund 150 Jahren ließen sich auch Bauern in diesem Naturparadies nieder, die den Dschungel rodeten, Reis und Zuckerrohr pflanzten – und die Probleme begannen. Denn die Elefanten dringen nachts in die Plantagen ein, zerstören die für die Bauern überlebenswichtige Ernte. Die wehren sich – mit Schusswaffen, mit Gift, auch mit Elektrozäunen, die illegalerweise mit tödlichem Starkstrom geladen sind.

Je tiefer die Menschen ins Elefanten-Land vorstoßen, desto mehr gefährliche Konflikte gibt es. Täglich wird ein Elefant getötet, das bislang schlimmste Jahr war 2023, wo 420 der nur rund 6000 auf Sri Lanka lebenden Elefanten getötet wurden. Aber auch 176 Menschen starben 2023 bei Begegnungen mit dem größten Land-Säugetier.

Unser Guide Victor zeigt uns einen Youtube-Film, auf dem zu sehen ist, wie ein Elefant einen Kleinbus attackiert. In Panik verlässt die Singhalesen-Familie den Bus. „Bei uns im Dorf gibt es solche Vorfälle nicht“, betont Lokuge. Denn der Ökologe hat die rund 2000 Dorfbewohner in seiner Heimat, dem Bergdorf Hal Attha Thena, auf den Schutz der grauen Riesen eingeschworen: In akribischer Forschungsarbeit hat Lokuge 65 Früchte gefunden, die den Elefanten überhaupt nicht schmecken – und die von den Bauern deshalb gefahrlos angebaut werden können – darunter etwa Pfeffer und Zimt. „Die 100 bis 150 Elefanten in unserer Region gehen um diese Felder einfach herum“, erzählt ­Lokuge stolz.

Daneben finanziert seine von der Dertour Foundation unterstützte Forest Garden Nature Organisation (FNGO) den Bau von Elektrozäunen mit Schwachstrom, um das Reich der Elefanten von dem der Menschen abzugrenzen. Und er schult die Dorfbewohner, wie sie sich verhalten sollen. „Für die Schulkinder ist klar: Wenn ein Elefant kommt, bleiben sie ruhig stehen. Oder sie klettern auf den nächsten Baum.“ Die Dorfbewohner vertrauen dem leisen Tier-Experten. Er ist einer von ihnen, nicht irgendein Besserwisser aus der Stadt.

Doch der sanfte 65-Jährige kann sehr wütend werden, wenn er über die mangelnde Unterstützung der Regierung in Colombo für den Elefantenschutz spricht: „Ich habe Aktenordner voll Briefe an die letzten drei Umweltminister geschrieben, doch sie verstehen einfach nicht, wie wichtig es für unser Land ist, ökologisch wirtschaftende Kleinbauern zu unterstützen.“ Lokuge beklagt auch, dass es keinerlei staatliche Ausgleichszahlungen gibt, wenn Elefanten die Felder der Bauern und damit ihre Existenz vernichten.

So geht das Töten weiter: Sri Lanka ist der Staat mit der weltweit höchsten Elefanten-Sterblichkeit. Die Population ist seit 1975 um 50 Prozent gesunken. Die traurige Folge dieser Entwicklung können Touristen im „Elefant Transit Home“ nahe des Udawalawe Nationalparks besichtigen: Hier werden Elefanten-Babys aus ganz Sri Lanka aufgepeppelt, deren Mütter getötet wurden. 25 Neuzugänge kommen jedes Jahr dazu. Die älteren Waisen nehmen die Neuzugänge als Ersatz-Mamas unter ihre ­Fittiche.

Dreimal am Tag können Urlauber beobachten, wie die derzeit 62 Elefanten-Waisenkinder gefüttert werden. Erst stehen die süßen Mini-Elefanten diszipliniert Schlange – wenn es aber dann zur Milchbar geht, stürmen sie aufgeregt los. Mehr als elf Liter Babymilch-Kokosmilch-Mischung braucht jedes der Riesen-Babys pro Tag. „Allein die Milch für die Elefanten kostet pro Tag rund 660 Euro“, erzählt Dr. Malaka Abeywardana, der Tierarzt der Elefanten-Auffangstation. Die Eintrittsgelder der Touristen sind da eine willkommene Unterstützung.

Ziel des Transit Homes ist es, die Elefanten wieder auszuwildern, wenn sie groß genug sind. So konnten seit 1995 rund 175 Elefanten wieder freigelassen werden – in einen der Nationalparks der Insel, wo Reisende erleben können, wie friedlich die grauen Riesen in einer Umgebung sind, wo ihr Lebensraum nicht von Menschen eingeengt wird. Denn eigentlich sind asiatische Elefanten deutlich weniger aggressiv als ihre afrikanischen Artgenossen, weshalb sie über Jahrhunderte als Arbeitstiere genutzt wurden. In Sri Lanka ist das inzwischen – außer für kultisch-religiöse Zwecke wie die berühmte Zeremonie am Schrein des Buddha-Zahns in Kandy – verboten.

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Doch 65 Prozent des Verbreitungsgebiets der Elefanten liegt außerhalb der Nationalparks. Und so ist es nicht ungewöhnlich, einem der bis zu fünf Tonnen schweren Tiere nachts auf einer Dorfstraße zu begegnen. Elefanten-Schützer Lokuge will die Begeisterung der Touristen für die sanften Riesen nutzen, um sie auch außerhalb der Nationalparks zu schützen. So will seine Stiftung Land am Rande des Uwalawe-Nationalparks pachten, um einen „Skywalk“ zu bauen: Von in den Bäumen verlaufenden Stegen aus können dort Elefanten beobachtet werden, so die Idee. „Die Menschen in Sri Lanka müssen davon überzeugt werden, dass Öko-Landwirtschaft und Tourismus ihnen ein besseres Leben bescheren – nur wenn wir die Menschen mitnehmen, werden sie die Elefanten schützen.“

Wir staunen über seine Arbeit. So richtig verstehen tun wir ihn aber erst, als im Udawalawe-Nationalpark eine Elefanten-Mama mit ihrem Jungen unserem Safari-Jeep so nahe kommt, dass wir ihr tief in die Augen blicken können. Kluge, sanfte Augen, die uns ahnen lassen, warum Ajith Lokuge sein Leben ihrem Schutz gewidmet hat. „Als Kind hatte ich auch Angst vor ihnen, weil sie so riesig sind. Aber je mehr ich mich mit ihnen beschäftigte, desto faszinierter war ich“, erzählt der 65-Jährige. Es ist eine Faszination, der auch wir uns nicht mehr entziehen können. Klaus Rimpel

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