Allein mit dem Wohnmobil durch die Wildnis

von Redaktion

Wie Rentnerin Gerlinde von Neufundland quer durch Kanada bis Alaska fuhr

„Liebe Reiseredaktion, was muss ich tun, damit ein Buch von mir bei Ihnen als Tipp erscheinen könnte? Ich habe im Selbstverlag den autobiografischen Roman „Kanada – Von Träumen und Albträumen“ basierend auf meiner Wohnmobilreise im Jahr 2024 von Neufundland bis Alaska veröffentlicht. Ich stamme aus einem kleinen Dorf in Oberbayern, habe lange in Dießen am Ammersee gelebt, nenne jetzt aber mein Wohmobil mein Zuhause. Warum? Weil ich – 68 Jahre, geschieden, Mama zweier erwachsener Kinder und Buchhalterin in Rente – die Welt bereisen will.“

Eine reiselustige Leserin und faszinierende Powerfrau – klar, dass wir uns bei Gerlinde Langer gemeldet haben. Das Gespräch über Mut und Freiheit:

Sie haben Ihren Camper von Hamburg nach Halifax verschifft und damit fünfeinhalb Monate unglaubliche 25000 km zurückgelegt. War Ihre Idee, diesen Roadtrip alleine zu unternehmen, eine bewusste Entscheidung?

Absolut. Ich liebe die Freiheit, jederzeit nur für mich selbst Entscheidungen treffen zu müssen, mit allen Konsequenzen, die ich dann auch selber zu tragen habe. Hinzu kommt: Im Alltag könnte es ja noch klappen, die Macken eines anderen auszuhalten, wenn man sich auch mal aus dem Weg gehen kann. Aber in der Enge eines Campers auf so lange Zeit in meistens sehr einsamer Gegend? Also ich weiß nicht. Ja, wenn ich so nachdenke: Ich bin gerne allein unterwegs. Weil ich es kann und es für mich die entspannteste Art des Reisens ist.

Warum Kanada – und warum mit dem Wohnmobil?

Kennen Sie das? Es gibt Länder, zu denen es einen fast magisch hinzieht. Kanada war eines davon. Und damit ich jeden Tag aufs Neue entscheiden kann, wie viele Kilometer am Tag ich fahre, wo ich einfach mal verweile, weil es mir so gut gefällt, wo ich wetterunabhängig reise und einfach immer alles dabeihabe, was ich brauche, hab ich mich für einen Camper entschieden.

Wie bereitet man sich auf so eine große Tour vor?

Ich liebe Excel-Tabellen und ich bin ein Listen-Freak! Irgendwie typisch Buchhalterin. Auch, dass ich erst mal meine Finanzen überprüft, den vorhandenen Bestand erfasst und die zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben gegenübergestellt habe, um zu sehen, inwieweit mein Polster ausreicht. Dann habe ich eine umfangreiche Packliste und eine ebensolche Zu-tun-Liste erstellt. Ein Zeitplan, wann ich wo sein will, speziell was den Flug und die Verschiffung angeht, war mir auch wichtig. Für die Verschiffung habe ich mir Angebote eingeholt, ich habe die Flüge verglichen und frühzeitig gebucht. Ich habe mich über die Einreisebestimmungen im Internet informiert und die Aufenthaltsgenehmigungen für Kanada und die USA beantragt. Dann habe ich TV-Dokus angeschaut und Bekannte gelöchert, die schon mal in Kanada gelebt haben.

Und dann kurz vor Ihrer Abreise erkranken Sie schlimm…

Ein Aneurysma in meinem Kopf ist geplatzt. Nachdem ich wieder einigermaßen klar denken konnte, war ich nur noch dankbar, dass es zu Hause passiert ist. Wenn mir das in den Weiten Kanadas zugestoßen wäre, wo man wegen der enormen Entfernungen stundenlang auf Hilfe hätte warten müssen, hätte ich das nicht überlebt. Direkt nach Intensivstation und Reha ging es für mich erst mal nur darum, wieder selbstständig leben zu können. Es war eine schwierige Zeit und ich habe sehr viel geweint damals…

Was hat Sie so geschmerzt?

Dass ich diese Reise absagen musste, war schlimm für mich. Doch ich konnte mich von dem Rückschlag besser erholen, als ich ein neues Abflugsdatum rausgesucht habe.

Und so haben Sie ein Jahr später noch mal die Koffer gepackt?

Richtig. Übrigens ein kleiner Tipp an dieser Stelle: Am allerwichtigsten für so einen Solo-Roadtrip ist Klebeband! Und das in allen Variationen: durchsichtig, blickdicht, für drinnen, für draußen, wasserfest, breit, schmal. Ich habe noch keine einzige Wohnmobilreise erlebt, bei der ich nicht mindestens eines dieser Bänder gebraucht habe. Wenn du in der Pampa stehst, kein Ort und niemand weit und breit, und du merkst, dass es durch ein Fenster reinregnet, musst du handeln. Bis du da irgendwo ein Klebeband oder irgendwas zum Reparieren herkriegst, ist das ganze Auto versaut. Mir war dann auch noch wichtig, Ersatzscheibenwischer, das richtige Motoröl, Ersatzlampen und Luftfilter dabeizuhaben.

Eine interessante Liste für eine Dame…

Sie schmunzeln, weil ich wenig weibliche Klischees bediene? Ich bin schon immer gerne gegen den Strom geschwommen. Ich mache einfach das, was mir gefällt, nicht was andere mir vorschreiben. Obwohl ich nicht kritikresistent bin, mir auch gerne mal Tipps geben lasse.

Wie viel Automechaniker steckt in Ihnen?

Gar keiner. Ich kann Scheibenwischer und Filter wechseln, Öl auffüllen, und – zur Not – auch Reifen wechseln.

Erschrecken Sie, wenn ein rotes Lämpchen aufleuchtet?

Es entlockt mir höchstens ein erstauntes „Nanu?“. Dann schaue ich erst mal in die Betriebsanleitung und dann sehe ich schon, ob Grund zur Panik bestehen könnte. In meinem privaten Umfeld habe ich ja auch Menschen, die mir eventuell aus der Ferne Tipps geben können.

Jetzt müssen Sie uns dringend noch von Kanada vorschwärmen.

Unbedingt sehen wollte ich die Eisberge vor Neufundland und Labrador, den Dempster Highway im Yukon und den Northwest Territories und ein Stück der Route 66 in den USA. Zufällig entdeckt und spontan begeistert haben mich viele Orte, Whitehorse im Yukon etwa und Homer Spit in Alaska. Auch die unendlichen Wälder im Osten haben mich sehr fasziniert und an den riesigen, leuchtend gelben Rapsfeldern in den mittleren Provinzen konnte ich mich nicht sattsehen. Auch die Rockys sind wirklich gewaltig. Und noch eines möchte ich Ihren Lesern unbedingt ans Herz legen: Den Indian Summer in Kanada zu erleben. Die Laubfärbung ist gigantisch.

Welche Begegnung hat Sie am meisten berührt?

Das waren vier Kanadier, die, als ich irgendwo im Nirgendwo mit dem Camper im Matsch stecken geblieben und nicht mehr aus eigener Kraft rausgekommen bin, plötzlich da waren, ohne dass ich sie hätte rufen müssen und mit vereinten Kräften geholfen haben, ohne lange zu fackeln und ohne was dafür zu verlangen.

Zurück in Deutschland. Was vermissen Sie am meisten?

Die breiten Straßen und die Weite.

Hat die Reise Sie verändert?

Ich bin zufriedener geworden, schließlich kann ich einen großen Traum als erledigt abhaken. Und schreiben Sie Ihren Lesern noch das von mir: ‚Schiebe den Wunsch nach Erfüllung deiner Träume niemals auf die lange Bank, auf irgendwann. Irgendwann wird es vielleicht nicht mehr geben, denn das Leben kann sich schneller ändern, als dir lieb ist, als du es erwartet hättest und dann kann es zu spät sein, unwiderruflich zu spät. Habe Mut, deine Träume zu verwirklichen, du kannst alles schaffen, wenn du es nur willst. Mach das vermeintlich Unmögliche möglich.‘ Julitta Ammerschläger

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