Den einen wird speiübel schon beim Zuschauen, andere lieben den Nervenkitzel: Bei Fahrgeschäften gehen die Meinungen definitiv auseinander. Aber was passiert eigentlich mit dem Körper und überhaupt mit dem letzten Bier und der Brotzeit, wenn der Körper durch die Luft gewirbelt wird.
Der Avenger Royal, der zum dritten Mal Station macht, lässt seine Fahrgäste zwischen gefühlter Schwerelosigkeit und extremer Schwerkraft schweben: „Die Kräfte, die dabei auf den Körper einwirken, sind beachtlich“, erklärt Stefan Christlmeier, Physiklehrer am Waldkraiburger Gymnasium.
Aufi, owi,
umi, vieri
Das imposante Fahrgeschäft mit seiner Höhe von 24 Metern und den frei schwingenden Gondeln ist dabei mehr als nur eine simple Schaukel. „Das Besondere ist, dass die einzelnen Gondeln nicht starr sind, sondern auch um ihre eigene Achse schwingen können und zusätzlich noch eine Drehung um den Mittelpunkt der drei Gondeln möglich ist“, beschreibt er die komplexe Mechanik. Alles klar?
Der Physiklehrer hat Videos vom Fahrgeschäft unter die Lupe genommen und daraus folgende Annahmen erstellt: Höhe 24 Meter, was einem Bahnradius von zwölf Metern entspricht. Die Geschwindigkeit hat er grob geschätzt: „22 Meter pro Sekunde (79 km/h) im tiefsten Punkt dürfte ein realistischer Wert sein – wenn auch mit Unsicherheit behaftet.“
Entsprechend beachtlich sind auch die Kräfte, die während einer Fahrt auf den Körper einwirken: „Nach dem Überschlag schwingt die Schaukel wieder nach unten, wo sie ihre höchste Geschwindigkeit erreicht“, erklärt Christlmeier. An diesem Punkt wird es richtig spannend oder schwer, je nach Perspektive. Denn im tiefsten Punkt der Kreisbahn addieren sich Fliehkraft und Gewichtskraft zu einer Gesamtkraft, die das Fünffache des eigenen Körpergewichts beträgt.
Dann wiegt man
halt mal 250 Kilo
Was bedeutet das konkret? „Wenn jemand 50 Kilo wiegt, fühlt es sich so an, als hätte er dann 250 Kilo“, verdeutlicht der Physiklehrer. Die Fliehkraft allein entspricht dabei dem Vierfachen des Körpergewichts – bei einer Person mit 50 Kilogramm also einer Kraft wie bei 200 Kilogramm Masse. Zusammen mit dem normalen Körpergewicht ergibt sich daraus die enorme Gesamtbelastung.
Nur einen Wimpern-
schlag lang
Doch dieser Zustand extremer Schwere währt nur einen Wimpernschlag lang. Dann geht es steil nach oben, wo die Fahrgäste ein völlig gegensätzliches Phänomen erleben: „Bei einer bestimmten Geschwindigkeit überkommt einen das Gefühl der Schwerelosigkeit“, so Christlmeier. Von Schwerelosigkeit könne man streng genommen aber nur sprechen, wenn die Fliehkraft dort oben genauso groß wäre wie die entgegengesetzte Gewichtskraft: „Die würden sich dann aufheben.“
Für die perfekte Schwerelosigkeit im höchsten Punkt müsste die Gondel eine Geschwindigkeit von exakt elf Metern pro Sekunde erreichen. „In den Videos sieht es allerdings nicht so aus, als ob die Gondel oben so schnell wäre“, räumt der Physiklehrer ein. Die absolute Schwerelosigkeit wird also vermutlich nicht ganz erreicht– was dem Fahrspaß aber keinen Abbruch tut.
Fast wie in einer
Raumstation
Interessanterweise ist dies dasselbe Prinzip, das auch Astronauten in der Raumstation erleben: „Die Station bewegt sich in einem Tempo um die Erde, bei dem die Fliehkraft genauso groß ist wie die Erdanziehungskraft.“ Der Avenger Royal bietet also gewissermaßen ein Mini-Astronautendasein – wenn auch nur für wenige Sekunden.
Auf die Formel
gebracht
Die physikalische Formel hinter dem Spektakel lautet F=m*v²/r. Dabei ist m die Masse der Person und v die Geschwindigkeit der Gondel. Doch keine Sorge: Für den Fahrspaß muss man diese Formel nicht im Kopf haben.
Durch das Schwingen der Gondeln und die zusätzliche Drehung wird das Ganze erst richtig kompliziert, aber gerade das macht wohl den besonderen Reiz der Fahrt aus: Ständig wechselnde, unvorhersehbare Kräfte in verschiedene Richtungen.
Für Physikbegeisterte ist das ein faszinierendes Beispiel für die Überlagerung verschiedener Kräfte. Für alle anderen eine Fahrt, bei der man die eigene Körperwahrnehmung wunderschön austricksen kann.