Liebesgrüße mit Senf

von Redaktion

Das französische Dijon ist berühmt für seinen Mostrich, hat aber noch mehr zu bieten.

Viele geben gern ihren Senf dazu. Aber dass es körperlich anstrengend sein kann, merken sie erst hier. Fünf Touristen versuchen, die harten Senfkörner zu zerstoßen, damit diese ihr gelbes Inneres preisgeben. „Je gelber, desto besser“, ist die Devise, die Melanie Morin beim Senf-Workshop der Moutarderie Edmond Fallot in Dijon ausgegeben hat. Als sich die gewünschte Farbe endlich zeigt, kommen sechs Esslöffel Weißweinessig hinzu, eine Prise Salz, wahlweise Gewürzkuchenpulver oder Cassis – fertig!

Senf in Dijon herzustellen ist allerdings fast wie Eulen nach Athen zu tragen. Denn die 158000-Einwohner-Stadt in Ostfrankreich wirkt wie die Mostrich-Hauptstadt der Welt. Im Geschäft der Moutarderie Fallot gibt es sogar eine Senf-Bar. Beim Konkurrenten Maille sind personalisierte Senftöpfe mit kleinen Liebesgrüßen erhältlich – statt „sag’s mit Blumen“ heißt es hier „sag’s durch den Senf“. Umso erstaunlicher: „Dijon-Senf ist gar keine geschützte Marke“, erläutert Morin, nur „Moutarde de Bourgogne“ muss aus der Region kommen.

Doch die Welt hat der hübschen Hauptstadt der historischen Region Burgund noch mehr zu verdanken. „Ohne Dijon wäre Paris nicht so schön“, ist Stadtführerin Nicole Barbier überzeugt. „Denn Gustave Eiffel stammte von hier.“ Bei der Tour mit ihr steigen Besucher in die Geschichte Burgunds ein, das im 14. und 15. Jahrhundert eine bedeutende Rolle spielte. Im Musée des Beaux Arts sind die Grabmäler von Philipp dem Kühnen und Johann Ohnefurcht zu sehen – schon die Beinamen der burgundischen Herzöge verraten ihre ortstypische Unerschrockenheit. Nach Philipp le Bon (Philippe dem Guten), einem weiteren Herzog, ist der Turm benannt, von dem aus sich die Stadt betrachten lässt.

Zu ebener Erde führt ein kleines Eulensymbol auf dem Boden zu historischen Gebäuden – und endet an der Kirche Notre Dame. Dort darf sich der Besucher beim Anfassen einer Eulenfigur etwas wünschen.

Waren es kulinarische Wünsche – die bleiben nicht offen, besteht doch Dijons Küche aus weitaus mehr als Senf. Besondere, nicht süße Lebkuchen gibt es zu allen Jahreszeiten. Außerdem ist die Côte d’or schön nah – eines der bedeutendsten Weinanbaugebiete der Welt. Dieses lässt sich mit dem E-Bike problemlos erradeln. Baptiste Giquel ist einer der Guides, die Radtouren auf der Route des Grand Crus in die Weinberge anbieten. Dort zeigt Winzer Johan Chatelus bei der Domaine Quivy, wie sich Weine verändern – vom Village bis zum Grand Cru für 200 Euro, von dem es bei der Probe nur einen Spritzer ins Glas gibt. „Junge Weine ähneln sich wie Babys“, erläutert Chatelus, „Unterschiede merkt man erst später.“

Welchen Wein aber trinkt man zu welchem Essen? Darf man mit dem Trinken anfangen, wenn das Essen noch nicht auf dem Tisch steht? Antworten auf solche Fragen findet der Besucher in der modernen „Cité Internationale de la Gastronomie & du vin“ in Dijon. Unter den zahlreichen Ausstellungen ist eine über die französische Tischkultur. Diese ist Museums-Kommunikationschefin Dorothée Lucas auch privat wichtig. „Egal, wie stressig der Tag ist, ich esse abends immer mit meinen vier Kindern“, betont sie. Ein Gong ruft zu Tisch, Smart­phones beim Essen sind nicht erlaubt. Denn, so betont die Französin: „Wenn wir uns beim gemeinsamen Essen nicht unterhalten, wann dann?“

Wer das jedoch nachahmen will: Achtung, es lauern Fettnäpfchen. So erfährt der Besucher, dass er nicht „Bon Appétit“ (Guten Appetit) sagen darf. Das beleidige Köchin oder Koch. „Es unterstellt, man müsse schon Appetit haben, um ihr Essen zu verzehren“, erläutert Lucas.

Dabei kommt der Tourist in Dijon, und das ist nicht beleidigend, aus dem Appetit-Zustand gar nicht mehr raus. Überall ist etwas Neues zu probieren. Das könnte, wenn Körper und Abreise dem keine Grenzen setzen würden, ewig so weitergehen.

Und jetzt wird klar: Noch ein paar Tage länger bleiben können – das wäre der beste Wunsch gewesen beim Streicheln der Eule. Pia Rolfs

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