Olis Top-Five:

Wunschlos glücklich in Portugal

von Redaktion

Buchautor Oliver Kneip schreibt über sein Vollzeit-Leben im Camper und seine Lieblingsküste in Europa

Ich saß im Frühling 2021 nachts auf einer Klippe nahe São Pedro de Moel. Der nimmermüde Lichtstrahl des eckigen Leuchtturms flog mit der rhythmischen Genauigkeit eines entspannten Pulsschlags über meinen Kopf hinweg und unter mir brachen sich lautstark die kleinen Brüder der großen Wellen des berühmten Nazaré, das etwas weiter südlich liegt. Es war keine Wolke am Himmel zu sehen, und die Sterne funkelten mit aller Kraft.

Auf einem zackigen Felsvorsprung vor mir stand meine kleine Kamera auf einem Stativ und übte sich wieder und wieder in Langzeitbelichtung. Denn die Venus leuchtete in jener Nacht besonders hell. Warum weiß ich nicht mehr, aber sie tat es. Ihr gleißender Schein spiegelte sich länglich im tiefschwarzen Meer, wie man es sonst nur von der Sonne oder dem Mond kennt.

Mein Van stand ein Stück hinter mir, auf einem großen Schotterparkplatz, auf dem ich für einige Wochen wohnte. Links und rechts des hoch gelegenen Parkplatzes waren Buchten und Strände, die mich jeden Morgen aufs Neue verzauberten. Und als ich so allein dasaß, um in die rauschende Nacht zu glotzen, zog plötzlich eine funkelnde Sternschnuppe einen langen Schweif hinter sich her. Sogleich kam der antrainierte Reflex in mir auf, mir etwas zu wünschen. Ich musste kurz überlegen, schaute umher, blickte aufs Meer, in den Himmel und zu meinem Van. Und dann sagte ich aus voller Überzeugung laut zu mir selbst: „Ich brauche nichts. Ich hab‘ ja alles.“ Die Schönheit und den Luxus dieser Erkenntnis verstand ich erst einige Minuten später. Wenn man in Portugal reist, ob im waldigen Norden mit seinen unzähligen Wasserfällen, im hügeligen Zentralportugal oder entlang der Küsten im Westen und im Süden, ertappt man sich oftmals wunschlos glücklich.

Ich durfte in Portugal viel finden: Glück, Freunde, Gesundheit, Ruhe und sogar die Liebe. Einige Wochen nach meinem verschmähten Sternschnuppenwunsch traf ich etwas weiter südlich an der Westküste, kurz vor der Algarve, eine junge Frau, die rasch zu mir in den Van zog. Mittlerweile sind wir sogar verheiratet. Meine zweite große Liebe aber gilt dem Lebensgefühl Portugals, den Menschen, der Natur – und natürlich der grandiosen, abwechslungsreichen Kulinarik. Obwohl in Portugal nicht immer alles für mich glatt lief, ist meine Sehnsucht ungebrochen. Ich denke, ich habe mich zwischen Polizeieinsätzen, Allergieschocks, Abschleppaktionen, ausbleibenden Heimlich-Manövern, zu engen Gassen für meinen Van, Waldbränden und furchteinflößenden Sturmfluten mit „Saudade“ angesteckt. Sehnsucht heißt das auf Portugiesisch.

Mein wichtigster Rat, den ich für ein erfolgreiches Vanlife in Portugal – oder sonst wo – mit der Welt teilen möchte, liegt jedoch darin, sich zu benehmen! Vereinzelt fiel es mir auch schwer, wie man ganz ehrlich im Buch nachlesen kann. Ich habe manchmal an Orten geparkt, an denen man völlig zu Recht nicht parken durfte. Doch ich bin seit gut 40 Jahren stuben- und landschaftsrein. Denn Respekt und Bewunderung gegenüber den gastgebenden Menschen in ihren vielen schönen Ländern ist, was mich auf meiner Reise geleitet hat.

Noch eine kulinarische Portugal-Empfehlung, die wirklich von Herzen kommt: das Restaurant „D’Raiz“ in Peniche. Tolle Menschen, toller Laden, grandioses, authentisches Essen! Ich habe dort neue Freunde und irgendwie auch eine Familie ­gefunden, bin einmal vor dem Dessert fast gestorben (weitere Details im Buch) und empfinde tiefes Glück, wenn Chef Alex mich mit seinem gebrochenen Deutsch begrüßt und fest umarmt: „Was geht, Bruda? Alles gut? Mit Papa gut? Mama gut?“ Oliver Kneip

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