Die Begrünung von Dächern und Fassaden wird in Zeiten des Klimawandels immer wichtiger. Pflanzen sorgen für Kühle durch Verdunstung und Verschattung. Was dabei immer populärer wird: An der Wand nicht nur per Kletterpflanzen für eine äußere Begrünung zu sorgen, sondern das Grün tatsächlich in den Wandaufbau zu integrieren.
Von der Horizontalen in die Vertikale
Auf Dächern wird dieses Konzept längst umgesetzt. Im Rahmen einer intensiven Begrünung ersetzt der Garten hier die Außenhülle aus Ziegel-, Stein- oder Beton – kombiniert natürlich noch mit Schutzfolie, Matte und Drainage gegen die Feuchtigkeit. Bisher war dieses System – aufgrund der vertikalen Ausrichtung – nur unter größerem Aufwand auf eine Fassade zu übertragen. Doch moderne Trägersysteme und ausgefeilte Belüftungs- und Bewässerungskonzepte machen dies mittlerweile auch leichter möglich: die Gärten an der Wand.
In der Fachsprache heißen diese „wandgebundene Begrünungssysteme“. Laut dem Bundesverband GebäudeGrün bilden sie die Fassade der Außenwand und ersetzen dabei andere Materialien wie Glas, Faserzement oder Metalle. Anders als bei Kletterpflanzen, die aus dem Boden wachsen und dort Fläche benötigen, sprießt das Grün hier direkt aus der Wand – eine praktische Eigenschaft in der Innenstadt, wo der begehbare Grund als vielfach benutztes, öffentliches Gut für Bepflanzung häufig nicht zur Verfügung steht. Zudem zeichnen sich die wandgebundenen Begrünungssysteme – anders als bei Kletterpflanzen, die erst wachsen müssen – durch sofortige Wirksamkeit aus: Hier kann sofort angepflanzt und so für Verdunstungskühle und Verschattung gesorgt werden.
Wenn die Statik passt, ist dieses System an fast jeder Fassade oder Wand umsetzbar. Tatsächlich ist dieser Punkt von Bedeutung: Denn die vertikalen Grünflächen sind meist in einzelnen Modulen aus Edelstahl oder Aluminium angelegt, die im Zusammenspiel mit Substrat, Pflanzen und Bewässerungssystem um die 45 bis 50 Kilogramm pro Quadratmeter schwer sein können.
Ein Neubau mit entsprechend stabiler Bausubstanz bietet sich deshalb an, aber auch aus einem anderen Grund: Hier können Baufirma und Architekt bereits im Vorfeld mit den Modulen planen, um das Begrünungssystem als Teil der Wand fest zu installieren. Wie beim Dachgarten werden dann die Module oberhalb der Dämmung angebracht und in den Wandaufbau verschraubt. Auch hier sorgen Schutzfolien dafür, dass keine Feuchtigkeit in die Hauswand eindringt.
Und noch ein weiterer Vorteil hat es, sich innerhalb des Bauprozesses einen vertikalen Garten an der Hauswand einzuplanen: Wer die Module korrekt integriert, hat über einen Durchzugseffekt hinter den Modulen eine zusätzliche Luft- und Kühlungsquelle. So wird Schimmel verhindert – und der Dämmungseffekt der Wand, sowohl gegen Hitze als auch Kälte, noch einmal gesteigert. Christoph Kastenbauer