Der neue Bergsagen-Weitwanderweg verläuft in einer großen Runde durch die österreichische Region Hall-Wattens östlich von Innsbruck. Die Strecke verbindet das Karwendelgebirge im Norden mit den Tuxer Alpen im Süden des Inntals, Wanderer bleiben dabei stets in luftigen, aber nicht hochalpinen Höhenlagen. „Fernwanderungen liegen im Trend“, weiß Vera Rainer vom örtlichen Tourismusbüro. „Wir haben daher einen neuen Weg geschaffen, der auch für Einsteiger gut geeignet ist.“ Die insgesamt knapp 80 Kilometer sind in fünf Tagesetappen aufgeteilt, die stets in einem der Dörfer enden. Hier können Wanderer je nach Wunsch in Pensionen oder in Hotels übernachten. „Unterwegs tauchen Urlauber in unsere jahrhundertealten Sagen ein“, erklärt Rainer. „Entlang der einzelnen Etappen lassen wir Alpengeister, Märchen und christliche Legenden aus längst vergangenen Zeiten wieder aufleben.“ Den richtigen Weg zeigt das Bergsagenweg-Symbol auf gelben Schildern, hilfreich sind auch die digitalen Tracks für Smartphone-Apps.
Die erste Etappe ist eine Aufwärmübung für die Beine und führt in rund vier Stunden von Gnadenwald nach Wattens. Auf halber Strecke steht eine historische Kapelle, die bereits im Mittelalter als Wallfahrtsort diente und um die sich die Sage der Maria Larch dreht. Am zweiten Tag ist frühes Aufstehen Pflicht, denn neben knapp 18 Kilometern sind auch 1100 Höhenmeter zu bewältigen. Vorbei an der Rätersiedlung Himmelreich, die zu den ersten Siedlungen im Inntal gehört, geht es zur gleichnamigen Aussichtsplattform, von der sich ein herrlicher Ausblick über das Inntal und das Karwendelgebirge eröffnet. Ab jetzt führt der Weg nur noch bergauf. Schritt für Schritt erklimmen die Wanderer die Tuxer Voralpen bis zur Voldertalhütte, dann geht es über schmale Waldpfade zur Mittelstation der Glungezerbahn. Mit der Ruhe ist es hier vorbei. Wo einst der Glungezer Riese sein Unwesen trieb, toben jetzt Kinder auf einer Hüpfburg. „Fahrt‘s doch mit der Seilbahn ins Tal“, schmunzelt die Wirtin im Alpengasthof Halsmarter, als sie die müden Gesichter der Wanderer sieht. Rasch ist das Ticket gelöst und das Etappenziel Tulfes erreicht.
Der Heilige Romedius soll der Sage nach bei seiner Wallfahrt auf einem Bären geritten sein, die Wanderer begeben sich auf Schusters Rappen auf die etwas kürzere, dritte Etappe. Zu den Höhepunkten zählt die Altstadt von Hall, die an die Zeiten des Salzhandels erinnert. Für Etappe vier sind wieder Kondition und Trittsicherheit gefragt. Über schmale Steige geht es steil hinauf zur Thaurer Alm. Felsige Pfade führen zur weithin sichtbaren Kaisersäule in Pyramidenform und zum Törl, dem höchsten Punkt des Bergsagenwegs. „Hier habt ihr den besten Blick ins Karwendel mit dem Gipfel des Bettelwurfs und könnt die Sage um einen unheimlichen Geist nachlesen“, hatte Rainer versprochen. Tief unten sind schon die Herrenhäuser zu sehen, die von der Tiroler Salz- und Bergbaugeschichte zeugen. Weiter talwärts lädt das ehemalige Kloster St. Magdalena zur Einkehr, dann geht es über den Fluchtsteig zurück zum Ausgangsort Gnadenwald. Die letzten 700 Höhenmeter verteilen sich auf die letzte Etappe zur Walderalm, auf der es glücklicherweise nur der Legende nach spukt. Hier muss man die Kaspressknödel probieren. Frisch gestärkt legen die Wanderer die letzten zehn Kilometer des Bergsagen-Weitwanderwegs zurück. Brigitte Bonder