Audi hatte eingeladen, den neuen e-tron GT Quattro auf kurvigen Landstraßen im bayerischen Jura zu testen. Wir sind dieser Einladung gerne gefolgt und haben intensive Eindrücke gewonnen.
Manchmal ist es verrückt: Ich sitze in einem sehr sportlichen Fahrzeug und habe alle verfügbaren Assistenten aktiviert. Solange die Hände locker am Lenkrad sitzen und die Augen die Straße überwachen, steuert der e-tron GT auch auf schmalen Kurven selbstständig. Er senkt vor einem Tempo-30-Schild die Geschwindigkeit auf exakt diese 30 km/h ab. Und ich lasse, mühelos dahingleitend, die Landschaft im Jura zwischen Oberbayern, Franken und Schwaben auf mich wirken.
Zeitweise. Vor uns ist ein langsamer Müllwagen, und ich mobilisiere die 503 PS der beiden Elektromotoren und bin erstaunt, wie wenig der geraden Strecke ich fürs Überholen brauche. Dann ein Traktor. Danach gehe ich es auch in den Kurven forscher an. Nichts, was ich tue, bringt das flach geschnittene Auto mit tiefem Schwerpunkt an seine Grenzen. Man kann die Reserven des Fahrzeugs nutzen, muss es aber nicht. Sie sind mehr als üppig: 4,2 Sekunden von null auf 100 und 245 km/h Spitze (abgeregelt – sonst wäre mehr drin). Reichweite: ehrliche 500 Kilometer. Und in einer halben Stunde steht die Batterie beim Schnellladen auf 80 Prozent.
Genau genommen ist Audi aber nur die halbe Wahrheit, denn das Auto nutzt eine Plattform mit dem Porsche Taycan. „70 Prozent Gleichteile“, sagt Miklos Kiss, technischer Projektleiter. Die restlichen 30 Prozent wurden weitgehend genutzt, um diese Verwandtschaft zu kaschieren. Auch die Software ist Audi-spezifisch. Gebaut wird das Auto in der Audi-Edelmanufaktur in den Böllinger Höfen in Heilbronn.
Aber was moniert der strenge Rechner im Hinterkopf? Ein Grundpreis von 108 900 Euro ist stattlich. Er liegt sogar über dem des günstigsten Taycan. Doch bei vergleichbarer Leistung und Ausstattung ist der Porsche teurer. Wer sich’s leisten kann, wird mit einem Wartungsintervall von zwei Jahren entschädigt. Und beim Verbrauch wirkt ein altes Sportwagen-Paradoxon: Die geringe Stirnfläche macht schneller, aber auch sparsamer. In der Praxis lässt sich das Auto mit weniger als 20 kWh auf 100 Kilometern bewegen, sagt Projektleiter Kiss. Das entspricht auch den WLTP-Angaben. Für 2280 Kilogramm Leergewicht ein guter Wert. Und bis Tempo 150 sei der e-tron genügsam, betont Kiss. Da saugen selbst kleinere Elektro-SUV die Batterie in Windeseile leer.
GT steht für Gran Turismo. Das italienische Wort bedeutet große (gemeint: luxuriöse oder auch sportliche) Reise. Der Audi e-tron GT Quattro löst das Versprechen ein. Das Auto ist die wohl unauffälligste Art, Zuffenhausener Sportwagentechnik zu nutzen. Und manchmal die entspannteste. MARTIN PREM