Sonne, Strand und vielleicht die Liebe

von Redaktion

Manche Reiseveranstalter haben spezielle Angebote für Singles. Was ist der Reiz daran? Gelingt es, jemanden kennenzulernen? Ein Erfahrungsbericht aus Sardinien.

Michele gibt alles. Schon um halb zehn an diesem Freitagmorgen steht der Sarde in San Teodoro auf einem Platz gegenüber der Bar Il Centrale und legt elektronische Musik auf. Während bei 40 Grad die meisten Inselbewohner im Meer baden oder in einem Pinienhain dösen, tanzt Michele jeden Tag zu wummernden Beats unter einem weißen Stoffdach, bis der Schweiß über seine Stirn rinnt. Michele ist der Alleinunterhalter von San Teodoro. Der Ort liegt 30 Kilometer südlich von Olbia und ist durch La Cinta bekannt geworden, einen fünf Kilometer langen Strand mit Puderzuckersand. „Das ist also die Partymeile von San Teodoro“, denke ich, als ich Michele sehe. Es ist mein letzter Tag auf Sardinien, und Rüdiger, dessen Vornamen ich, genau wie die aller anderen Männer, verändere, um ihre Privatsphäre zu schützen, hatte mir schon am Tag meiner Anreise von diesem DJ erzählt, der für „Stimmung“ sorge und zu dem er gerade unterwegs sei, mit dem Mietwagen, den wir uns eigentlich alle teilen. Das war gegen neun Uhr am Abend. Ob ich auch mitkommen möchte, hat Rüdiger mich nicht gefragt.

Planschbecken
als Pool

Ich habe mich für eine Single-Reise angemeldet. Nun bin ich tagelang mit vier Männern zusammen, von denen mir keiner wirklich gut gefällt, in einem Drei-Sterne-Hotel im Dorf Taunanella mit schlechtem italienischen Essen und einem Pool, in dem man nicht schwimmen kann, weil das Wasser nicht tief genug ist. Die Woche, für die ich mich entschieden habe, ist für 35- bis 55-Jährige gedacht, meine Mitreisenden sind 36, 45, 53 und 54 Jahre alt. Ein Logistiker ist dabei, einer arbeitet in einer Personalabteilung. Ein „ausgeglichenes Geschlechterverhältnis“, mit dem der Veranstalter Sunwave wirbt, sieht anders aus. Hohe Erwartungen hatte ich nicht. Bei solchen Reisen ist es Glückssache, wen man trifft. Ich bin schon lange Single, suche aber nicht aktiv nach einem Partner.

Sardinien bietet tolle Strände und schöne Wanderwege durch spektakuläre Gebirge. Von der Cala Gonone aus schippern Boote zur Cala Goloritzé. Sie gilt als eine der schönsten Buchten der Welt. Die Macchia duftet nach wildem Wacholder, Grillen zirpen im Gebüsch. Den Nordwesten von Sardinien kannte ich schon, diesmal wollte ich die Strände an der Costa Smeralda erleben. Umso verärgerter bin ich, dass die Gruppe gleich am ersten Tag ohne mich dorthin aufgebrochen ist. Ich erfahre davon, als ich einen Tag nach den anderen am Flughafen in Olbia lande, von der Reiseleiterin Viktoria Hoffmann. Obwohl es unsere Whats-App-Gruppe längst gab, hielt es niemand für nötig, mich im Chat zu fragen, ob ich gegen diese Planänderung etwas einzuwenden hätte. Die Entscheidung der anderen stört mich.

Ich frage mich, was los ist mit den Menschen in Zeiten von Tinder und Co., ob das Single-Sein blind macht für die Bedürfnisse anderer, ob Höflichkeit nichts mehr zählt in Zeiten, in denen sich die meisten selbst optimieren wollen und ob Singles alle irgendwann egoistisch werden. Ich frage Viktoria nach den Motiven der Reisenden. „Viele Frauen wollen einfach abends nicht allein in Restaurants sitzen, manche haben einen Partner, der aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr reisen kann“, erklärt sie mir. Mit ihrer herzlichen Art rettet Vicky diese Reise. Sie begleitet die Gäste zum Essen in ein Agritourismo, sie plant die Tagesausflüge, etwa zu der Grotta di Ispinigoli und empfiehlt gute Strände. Auch eine Bootstour bietet Viktoria an, für 70 Euro. Der Skipper ist ihr Mann Gerry, ein Wiener, mit dem sie ein eigenes touristisches Unternehmen namens 5 Senses Sardinia betreibt.

Wir fahren zum Tavolara Archipel. Viktoria erzählt uns eine Geschichte: Anfang des 19. Jahrhunderts kam der Korse Giuseppe Bertoleoni mit seiner Familie nach Sardinien und ließ sich auf Tavolara nieder. Als 1836 König Carlo Alberto von Sardinien auf der Insel Tavolara an Land ging, kam ihm Giuseppes Sohn Paolo entgegen und verkündete: „Der König von Tavolara begrüßt den König von Sardinien.“ Carlo Alberto fand das lustig und schenkte ihm die Insel. Darum heißt es, Tavolara sei das kleinste Königreich der Welt.

Gerrys fröhliche Art bringt alle zum Lachen. An diesem Tag auf dem Boot wird klar, warum es auf Single-Reisen funken kann. Gemeinsam etwas Schönes zu erleben, verbindet. Beim Schnorcheln können wir fast zehn Meter in die Tiefe sehen. Danach trinken wir Espresso und alkoholfreien Spritz in einer Strandbar.

Eine schlechte Wahl von Sunwave ist das Hotel Pedra Niedda. Es versprüht einen angestaubten 70er-Jahre-Charme. Bei booking.com kostet eine Nacht 115 Euro, mit Frühstück. Mit 1714 Euro für sieben Nächte inklusive Halbpension für das Doppelzimmer zur Alleinbenutzung ist mir diese Reise samt Flug zu teuer. Einzelzimmerzuschläge halte ich für überholt. Fast jeder dritte Deutsche zwischen 18 und 65 Jahren ist Single – das ergab eine Umfrage von Elite Partner im Jahr 2023.

Ich werde künftig lieber wieder allein wegfliegen. Inspirierende Begegnungen habe ich eher mit Einheimischen. Außerdem sind mir Männer, die nicht davon ausgehen, dass ich im Auto ständig hinten sitzen will, während sie bestimmen, wo es lang geht, wesentlich lieber. Isa Hoffinger

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