Reise-Infos:

„Wasser, herrlich und großartig!“

von Redaktion

150 Jahre „Die Moldau“ – eine Reise entlang des längsten Flusses Tschechiens

Allegro commodo non agitato, „angenehm schnell“ also, „nicht ungestüm“, so beginnt die „Moldau“. So lautet Bedrich Smetanas Tempoangabe für die ersten 35 Takte seiner sinfonischen Dichtung „Vltava/Moldau“. Da hat man ja gewisse Erwartungen. Eine Wanderung führt von Kvilda hinein in den Nationalpark Šumava/Böhmerwald. Durch dieses wilde Waldgebiet wanderte 1868 auch Smetana auf der Suche nach einer der Moldauquellen. Heute geht der Weg durch viel lichte Stellen, der Borkenkäfer wütete, aber frisches Grün wächst nach.

Die Quelle

Da, ein Schild: PRAMEN VLTAVY 1170 Meter, die Moldauquelle. Ein Holzsteg zu einer steinumfassten Grube von der Größe eine Duschwanne. Von ungestüm kann wirklich keine Rede sein. Die Moldau, der tschechische Nationalfluss, rinnt los, über Steine hinweg, den Wald hinaus und mäandert durch eine feuchte Wiese, fließt durch den Böhmerwald nach Südosten, überlegt es sich bei Vyšší Brod anders, macht die Biege nach Norden, fließt nach Budweis und „im breiten Zug weiter gen Prag, am Vyšehrad vorbei, und in majestätischem Lauf entschwindet sie in der Ferne schließlich in der Elbe“, so Smetana. Vor 150 Jahren, im April 1875, erklang erstmals das Grundmotiv von Vltava; der zweite Teil des sinfonische Zyklus „Má vlast – Mein Vaterland“ wurde in Prag uraufgeführt. Smetana hörte das Konzert nicht – er war bereits taub, schrieb aber weiter seinen Vaterland-Zyklus.

Die Seen

Smetanas Moldau gibt es nicht mehr. Die Melodie blieb, der Fluss aber, wie Smetana ihn sah, ist verschwunden, schon vor Jahrzehnten wurde aus der Moldau eine Abfolge von Stauseen. Mit dem riesigen ­Lipno-See in Südböhmen beginnt die Moldau-Kaskade. Das „Böhmerwald-Meer“ liegt auf 1000 Meter, floss seit 1959 voll, diente der Stromgewinnung und sollte Budweis und Prag vor Hochwasser schützen.

Rafting-Jauchzen

Weiter fließt die Moldau „durch Landschaften, wo gerade eine Bauernhochzeit gefeiert wird“, so ­Smetana. Rafting-Gesellschaften, Kajaker, Stehpaddler und ein paar mutige Schwimmer vergnügen sich. Entlang der Buden und Gaststätten wird Bier getrunken. Oder auch Kofala, mit der spacigen 70er-Jahre-Schrift. Das böhmische Städtchen Ceský Krumlov liegt zauberhaft in einer Moldauschlaufe. So etwas bleibt nicht unentdeckt. Zwei Millionen Touristen jährlich schieben sich durch die Altstadt. Souvenirgeschäfte bieten neben dem üblichen Krimskrams Moldavit: Ketten, Ohrringe und Anhänger aus grünem Glas. Das ist eine echte Rarität und 15 Millionen Jahre alt. Da schuf ein Komet einen gigantischen Krater, das Nördlinger Ries. Beim Aufprall verdichtete sich der Untergrund und schleuderte als Plasma nach Südböhmen. Dort kann man nach dem grünen Moldavit schürfen.

Wild East

1967 war die Brücke über einen Stausee bei Orlík die größte einbogige Stahlbrücke in der Welt. Hier verübte in den 1990ern die „Orlík-Bande“ eine Mordserie. Sie brachten Geschäfts-Konkurrenten um, stopften sie mit Säure in Fässer und warfen diese von der Brücke hinunter in den über 70 Meter tiefen Stausee. Aber die Polizeitaucher holten sechs Tote heraus, fünf Täter wurden verurteilt.

Prag

Bräsig fließt die Moldau als breiter Strom durch Prag. Aber die Hochwassermarken an den Häusern erzählen eine andere Geschichte. Bei der Jahrhundertflut von 2002 mussten 50000 Menschen in Sicherheit gebracht werden. Nun ziehen sich in Prag-Kleinseite metallene Streifen durchs Kopfsteinpflaster; darauf können Wasserschutzwände montiert werden. Gegenüber blickt Smetana als Bronzedenkmal auf die Moldau.

Das Ende

In weiten Schleifen fließt die Moldau nördlich von Prag ihrem Ende entgegen. In Melník, unterhalb eines Weinberges, fließen Elbau und Moldau zusammen. Ein tschechischer Autor schrieb 1838 vom „tragischen Fatum, welches die königliche Moldau, nachdem sie stolz und segensreich des Landes Mitte durchfluthet, in dem kleineren, weniger berühmten Fluße untergehen läßt.“ Ganz so schlimm kam es nicht, die Moldau ist nicht untergegangen, auch dank Smetanas Dichtung. Barbara Schaefer

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