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Bodegas am Meer: Weingenuss auf Madeira

von Redaktion

Bei Wein und Portugal denkt man automatisch an Portwein. Doch auf Portugals „Blumeninsel“ im Atlantik ist der Madeira-Wein der Star. Vor allem jetzt im September.

Der Weg zu einem der schönsten Weingüter Madeiras ist nichts für Menschen mit Höhenangst. Mit einem kräftigen Ruck gleitet die Seilbahn die über 300 Meter hohe Steilklippe hinab auf die kleine Landzunge am Meer, wo sich die Wein-Finca Fajã dos Padres befindet. Das Weingut liegt in einem Garten Eden.

Die weiß getünchten Steinhäuser des Guts befinden sich am Strand und sind umgeben von tropischen Früchten. Hier im Süden der portugiesischen Atlantikinsel vor der Küste Westafrikas gedeihen im subtropischen Klima viele Pflanzen, was Madeira den Spitznamen Blumeninsel einbrachte. Es wachsen Bananen, Papayas, Mangos, Guaven, Avocados, ­Passionsfrüchte – und natürlich Weintrauben.

Und zwar eine ganz besondere Rebsorte, versichert Catarina ­Vilhena Correia, deren Großvater die Landzunge 1921 einer Adelsfamilie abkaufte: „Analysen bestätigten, dass es sich bei den verwilderten Rebstöcken, die wir hier fanden, um den original Malvasia-Cândida aus dem 16. Jahrhundert handelte.“

Eigentlich hatte ihre Familie nie etwas mit Weinanbau zu tun. Doch Catarinas Onkel Mário Jardim ­Fernandes vermehrte als Hobby­winzer nach dem Sensationsfund vor rund 40 Jahren die uralten Rebstöcke, welche die Jesuitenmönche hier Ende des 15. Jahrhunderts für ihren Wein angepflanzt hatten.

„Somit ist Fajã dos Padres heute so etwas wie die Wiege des Madeira-Weins“, erklärt Catarina, während sie mit einem langen Schöpfstock einem der Holzfässer eine Probe entnimmt. Der bernsteinfarbene süße Likörwein ist 20 Jahre alt. Er schmeckt nach kandierten Früchten, Kräutern, Nüssen, Rosinen – sogar nach Schokolade.

Wie der Madeira-
Likörwein entstand

Catarinas Familie baute die alte Kapelle des Jesuitenordens zur Bodega um. Hier stehen elf Eichenholzfässer, in denen der Vinho Madeira bis zu zehn Jahre reift. Die Weinreben befinden sich nur wenige Meter vom Meer entfernt. „Das Mikroklima, die salzige Luft, der vulkanische Boden und die tropischen Früchte, die hier direkt neben den Reben wachsen, geben unserem Wein einen ganz besonderen Geschmack“, meint Catarina. Wenige hundert Meter weiter kann man ihre Weine am Strand mit frischen Napfmuscheln und fangfrischem Fisch genießen.

Portugiesische Seefahrer brachten die Malvasia-Cândida-Reben im 15. Jahrhundert von Kreta nach ­Madeira. Doch wie entstand später der süße Madeira-Likörwein? „Durch Zufall und aus einer Not heraus“, sagt Weinexpertin Isabel Freitas. ­Madeira liegt weit ab im Atlantik und war damals Umschlagplatz für den Überseehandel. „Um den Wein auf den langen Reisen in den Galeeren haltbarer zu machen, auf denen er nicht vor der Sonne geschützt war und sich erhitzte, stoppten die Seeleute den Gärprozess, indem sie einfach hochprozentigen Alkohol hinzugaben“, so Freitas. Danach hätten sie bemerkt, dass die Weine dadurch sogar noch schmackhafter wurden.

Dieser weltweit einzigartige Reifungsprozess auf den Schiffen wurde später von den Bodegas auf Madeira übernommen, die vor allem edlere Madeira-Weine bis zu einem halben Jahr in warmen Weinkellern bei über 40 Grad lagern.

Pool in der
Plantage

Der Likörwein wird vor allem aus den weißen Rebsorten Sercial, Verdelho, Bual und dem besagten Malvasia hergestellt, erklärt Freitas. Sie arbeitet auf der charmanten Quinta das Vinhas im Südwesten der Insel bei Estreito da Calheta, einer der sonnigsten Ecken Madeiras. Das rustikale Winzer- und Bauernhaus stammt von 1685 und liegt mitten in einem drei Hektar großen Weinberg mit wunderschönem Meerblick. Die Bio-Weine kann man im Bodega-Restaurant „Bago“ kosten.

„Quintas“ sind häufig familiär geführte Hotels in ehemaligen Herrenhäusern, Land- oder Weingütern in paradiesischen Lagen. Die Quinta do Furão ist relativ neu, lockt aber mit einem der besten Weinkeller und einem der renommiertesten Restaurants der Insel. Auch hier steht der Madeira-Wein im Zentrum. Die Weinproben finden mit dem wahrscheinlich spektakulärsten Panorama auf die Nordostküste Madeiras statt. Sogar der Pool befindet sich in einer Weinplantage.

In vielen kleineren Quintas wie der Quinta da Saraiva an der Südküste bei Câmara de Lobos oder in der Quinta do Barbusano im Tal von São Vicente im Norden der Insel kann man bis Oktober bei der Weinlese und beim traditionellen Traubentreten helfen.

In dieser Zeit wird der Wein in vielen Orten wie Câmara de Lobos, Ribeira Brava oder São Vicente traditionell per Hand gelesen und barfuß gepresst, und es finden zahlreiche Weinfeste statt. Auch in den Gassen der Inselhauptstadt Funchal.

Auf Madeira genoss schon Winston Churchill 1950 die Blandy-Weine. Und auch George Washington, Tolstoi, Dostojewski und sogar Napoleon begeisterten sich für den Vinho de Madeira, mit dem übrigens schon am 4. Juli 1776 auf die Unabhängigkeitsfeier der Vereinigten Staaten angestoßen wurde, wie man im Weinmuseum in Funchal erfährt.

Die besten Madeira-Weine

In der Weinkellerei der Familie Blandy reifen die angeblich allerbesten Madeira-Weine – und das seit bereits über 215 Jahren. Wer mehr über diese Winzerfamilie erfahren möchte, sollte sich auf dem Familienlandgut Santa de Luzia in der Quinta das Malvas im Gästehaus einquartieren. Emily Blandy aus der siebten Familiengeneration führt hier höchstpersönlich durch die Weinberge, bevor sie zur Kostprobe einlädt.

Viele „Quintas“ und Weingüter stellen heute neben dem Likörwein exzellente Rot- und Weißweine her. „Unsere vulkanischen Böden, die salzhaltigen Winde vom nahen Meer, das subtropische Klima. All das macht auch Madeiras Rot- und Weißweine besonders“, versichert der 82-jährige Duarte Caldeira, der in Seixal mit seinen drei Söhnen das Weingut Terras do Avó betreibt.

Die Weinstraße Madeiras führt zu unentdeckten Orten. Etwa zu den Terrabona Nature & Vineyards. Ein paradiesischer Rückzugsort inmitten uralter Lorbeerwälder, die sogar zum Unesco-Weltnaturerbe gehören. Marco Noronha und Maria João Veloso haben erst 2014 begonnen, ihre frischen organischen Rosé- und Weißweine herzustellen. Doch schon jetzt können sie sich vor internationalen Auszeichnungen kaum retten. Ihre eleganten Weine schmecken frisch, spritzig und nach saftiger Zitrone, Grapefruit, Limettenblättern und Ingwer. Der Kontrast zum süßen Madeira könnte kaum größer sein. Genau das spiegelt die Vielfalt der gesamten Insel wider. Manuel Meyer/dpa