Die Zahl kann sich sehen lassen: Auf rund 150000 neue Wohnungen in den sieben größten deutschen Städten schätzt die aktuelle Bulwiengesa-Kurzstudie im Auftrag von Berlin Hyp das Potenzial, wenn Bürogebäude umgewandelt würden. Insgesamt ist das Thema der gewerblichen Umnutzung aktuell in aller Munde. Viele Menschen arbeiten immer mehr von zu Hause, Betriebe streichen ihre Büroplätze zusammen, digitaler Fortschritt lässt in Städten Gewerbebauten verweisen. Auf der anderen Seite fehlt es an Wohnungen, besonders in deutschen Metropolen. Eine Win-Win-Situation? Ganz so einfach ist es nicht, wie Immobilienexperte Stephan Kippes erklärt.
„Wohnungsmärkte
wären entspannt“
Er ist Leiter des Marktforschungsinstituts des Immobilienverbands Deutschland (IVD) Süd und damit ganz nah dran an den wirklich aussagekräftigen Zahlen. Auch für Kippes klingen die Ergebnisse der Studien beeindruckend, allerdings ein wenig zu beeindruckend, um ohne ein „Aber“ auszukommen. „Wenn es aber so einfach wäre, hätte das in den vergangenen 31 Jahren der große Trend werden müssen. Es gäbe kaum noch Leerstand bei Gewerbeimmobilien, und die Wohnungsmärkte wären entspannt. Außerdem würde dabei nicht abgerissen, sondern viel graue Energie eingespart – einfach perfekt“, erklärt der Experte.
Aber weder einfach noch perfekt sind die Dinge normalerweise – und dies ist auch im Bereich der gewerblichen Umnutzung so. Denn mit dieser gehen häufig größere Probleme einher, die das Projekt verteuern und so wirtschaftlich unrentabel machen. Kippes verweist hier unter anderem auf den Gebäudezuschnitt, der bei Büros gänzlich anders aussieht als bei einem Wohnhaus. Größere Umbaumaßnahmen sind in den meisten Fällen unumgänglich: Neben den einzelnen Wohnungen müssen auch Versorgungsschächte für Wasser und Elektrizität neu angelegt und Treppenhäuser an den anderen Bedarf angepasst werden.
Insofern reduziere sich laut Kippes das wirkliche Potenzial trotz aller netten Theorien erheblich. „Um es klar zu sagen: Die Wohnungsprobleme wird man nicht durch Umwandlung von Gewerbeflächen in Wohnungen lösen können. Im besten Fall kann dadurch eine geringe, unter Umständen sogar nur minimale, Dämpfung erreicht werden.“ Einen effektiveren Weg gegen die Wohnraumknappheit sieht der Immobilienexperte beispielsweise durch die Aufstockung von Gewerbe – „etwa durch Überbauung von flächenfressenden Supermarkt-Flachbauten.“ Christoph Kastenbauer