Grill auf der Terrasse: Wohnluxus in der Kategorie VIP.
Ein Horn wie im Wikingerfilm dröhnt durch die Halle, die Wellen setzen sich in Gang. Ab da sehe ich meinen 13-jährigen Sohn nur noch von hinten: verschwunden in den Fluten des Wellenbades, weggespült von der Gischt des Wildwasserkanals, verschluckt von Röhrenrutschen. Erst vor einer Stunde sind wir aus dem Auto gefallen, nach siebenstündiger Fahrt. Aber im Urlaub anzukommen, hat nicht länger gedauert, als sich die Badesachen anzuziehen.
Ein künstliches Dorf
Center Park Bispinger Heide also. Mein jüngeres, kinderloses Ich hätte sich vor Grauen abgewandt von diesem Ort. Ein künstliches Dorf aus 750 gleichförmigen Häuschen, gruppiert um eine Glaskuppel mit tropischem XXL-Spaßbad („Aquamundo“) und „Market Dome“ darin. Einer Kathedrale des ungezügelten Freizeitkonsums mit echten Flamingos im unechten Indoor-Bachlauf, Hüpfburgimperium, Badminton-Plätzen, Supermarkt, Boutique und Spielwarenladen, Spielhölle, Bowlingbahn und Restaurantmeile. Das Parkgelände je zu verlassen, ist vollkommen unnötig.
Mit Land und Leuten kommt man so natürlich nicht Kontakt. „Wozu dann überhaupt verreisen?!“, klagt mein jüngeres Ich mich an. Doch ich höre nichts, denn ich skandiere mit meinem Sohn bereits sechs Kilometer vor Bispingen „Cen-ter Park! Cen-ter Park!“
Sechs Center Parcs gibt es in Deutschland, 22 weitere in Holland, Belgien, Frankreich und Dänemark. Hardcore-Fans dieses Urlaubskonzeptes machen es sich zur Aufgabe, jeden Park einzeln zu besuchen. Ihre Rezensionen von 28 Varianten des an sich immer Gleichen füllen ganze Internetforen.
Aber in einem sind sich alle einig: In Bispingen muss man gewesen sein. Bispingen ist das Original. Vor genau 30 Jahren eröffnete der Park als erster deutscher Ableger der damals holländischen Kette. Mit einem Konzept, das bis heute trägt und trägt und trägt.
Was macht mein
Kind glücklich?
„Was macht mein Kind glücklich? Was springt dabei für mich heraus? Und wie verkaufe ich es meinem Mann?“ Das, sagt Manager Thomas Griemsmann, seien die Fragen, die sich die Entscheidungsträger beim Thema Familienurlaub stellten: die Mütter. Center Parcs beantwortet ihnen diese Fragen als Marktführer. Mehr Familien-Kurzurlaub verkauft in Europa keiner. Und als Alleinerziehende weiß ich außerdem: Es klappt auch ohne Mann.
Die Idee hatte ein
Holländer
Die Idee zu alldem hatte 1968 Piet Dierksen, der Betreiber einer holländischen Outdoorladenkette am Ende ihrer Skalierbarkeit. Auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern kaufte er ein Grundstück mit See, stellte eine Wasserrutsche auf und baute Bungalows drumherum. Dierksen wollte „Menschen und Natur“ wieder zusammenbringen. Raus aus den Mietskasernen in der Stadt, rein ins Wochenend-Chalet am See.
Die Sensation damals:
der Farbfernseher
Pull-Faktor damals war der topmoderne Farbfernseher in jedem Bungalow zwischen Eames-Chair und offenem Kamin. Heute ist es das übertrieben spektakuläre Tropenbad im Zentrum aller denkbaren Freizeitaktivitäten: Bogenschießen, Rafting, Floating, Fahrrad-, Rikscha-, Golfcaddy-Verleih, Minigolf, Bungee-Trampolin, Kletterwand, Goldschürfen – alles buchbar per App (Achtung, das meiste kostet extra).
Dem Natur-Motto ist Center Parcs auch treu geblieben. Von 90 Hektar Parkfläche sind nur zehn verbaut. Durch geschickte Anordnung der Häuschen sieht man fast niemals das Nachbarhaus. Immer Wiese, Bäume, Stauden, Eichhörnchen. Ein knapp drei Kilometer langer Naturlehrpfad, ein eigener Ranger, der mit den Kindern Lager im Wald baut, und ein Bauernhof als Streichelzoo machen Ernst mit der Naturpädagogik. Alles ist gepflegt, aber nicht geschniegelt. Englischen Rasen braucht man nicht zu erwarten. Dafür schon mal ein Reh.
Kommen wir zum wichtigsten Punkt: Was springt für mich als Mutter dabei raus? Alles. Bei der Einfahrt in den Park öffnet sich die Schranke und schließt sie sich, ist die Welt eine andere. Du hast keine Probleme mehr. Im Center Park ist alles einfach. Schnuller, Boom-Box, Augencreme vergessen? Kauf‘s hier. Sohn liebt Einhörner, Tochter Waffen, dein Mann Angeln? Schick den Sohn zum betreuten Einhorn-Kissen-Basteln, die Tochter zum Laser-Battle und den Mann zum Angelkarte-Holen für ein Dutzend Teiche auf dem Gelände.
Koch den Fisch in der Küche, die besser ausgestattet ist als deine daheim, geh in sieben Restaurants essen, lass liefern oder schick das Kind. Die Straßen sind sicher. Autos fahren nur zum Entladen. Wer ein Haus der Kategorie „VIP“ bucht, hat die Qual der Wahl: Geh ich in die finnische Sauna oder den Whirlpool? Heiz ich Grill oder Kamin an? Oder hüpf ich vor Freude einfach mal fünf Minuten mit meinem Kind auf den Boxspringbetten?
„Das ist immer noch, was die Leute am meisten brauchen“, sagt Thomas Griemsmann und schaut in die Baumkronen auf einer kleinen Insel im See. „Natur und als Familie zusammenkommen.“ Läuft in Bispingen, wie am ersten Tag. Land und Leuten sind mein Sohn und ich hier zwar nicht so intensiv begegnet. Aber einander. War mega.
Barbara Höfler