Frau Naumer, wie viel KI steckt bereits in der TH Rosenheim?
Hinsichtlich klassischer KI bietet die TH den Bachelorstudiengang Applied Artificial Intelligence an, in dem unsere Studierenden zu praxiserfahrenen Expertinnen und Experten ausgebildet werden. Bezogen auf die generative künstliche Intelligenz (gKI) wie etwa ChatGPT ergeben sich einerseits viele neue Möglichkeiten, andererseits aber auch enorme Herausforderungen für die Lehrenden und Studierenden. Darauf haben wir frühzeitig reagiert und in einer Arbeitsgruppe erarbeitet, was wir wollen und was wir nicht wollen.
Was kam heraus?
gKI ist ein Werkzeug wie beispielsweise Suchmaschinen, nur eben viel mächtiger und mit disruptivem Potenzial. Es kommt darauf an, dieses Hilfsmittel richtig und reflektiert einzusetzen. Der Grundsatz an unserer Hochschule ist: Wir wollen KI nicht dulden oder gar verbieten, sondern mit ihr gestalten.
Wie können denn die Lehrenden von KI profitieren?
gKI kann zum Beispiel zur Erstellung von Modulbeschreibungen oder auch Prüfungsaufgaben eingesetzt werden. Der oder die Lehrende setzt darauf auf, korrigiert bei Bedarf und verfeinert den Output der KI. Dieses Zusammenspiel hat großes Potenzial. Um es zu nutzen, muss man sich aber auch intensiv damit auseinandersetzen und deshalb sind Austauschformate wie zum Beispiel das kürzlich an der TH stattgefundene DidaktikCamp so wichtig. Im Bereich Learning Analytics untersuchen wir, wie man Studierenden basierend auf Daten über ihr Lernverhalten ein lernwirksames Feedback geben kann.
Ist es denn aus Ihrer Sicht denkbar, dass eine KI eine Vorlesung übernimmt?
Die reine Wissensvermittlung wäre denkbar mit einem entsprechend trainierten Modell. Aber wir kommen ja zunehmend weg vom klassischen Modell einer Vorlesung, in der jemand vorne etwas erzählt und die Studierenden hören zu. Wir haben immer mehr Interaktion in unseren Veranstaltungen. Lernen erfordert auch ein soziales Umfeld. Der persönliche Kontakt und die Möglichkeit zum Diskurs sowohl mit den Peers als auch der Lehrperson, die agil und angepasst auf bestimmte Lernsituationen reagieren kann, sind nicht durch ein Modell ersetzbar.
Kommen wir zu den Studierenden. Wie präsent ist KI bei denen?
Das unterscheidet sich von Studiengang zu Studiengang, aber grundsätzlich lässt sich feststellen: KI ist im Studienalltag längst angekommen. Man kann davon ausgehen, dass ein Großteil der Studierenden generative KI bereits einsetzt. Und ganz ehrlich: Bei schriftlichen Arbeiten kann man eigentlich nicht mehr feststellen, ob sie von einer KI oder von einem Menschen verfasst wurde. Auch das haben wir in der Arbeitsgruppe thematisiert.
Was folgt denn daraus?
Wir werden uns auf alle Fälle Gedanken zu neuen Prüfungsformaten machen müssen. Und Seminararbeiten ohne eine mündliche Präsentation, in der Rückfragen gestellt werden können, werden der Vergangenheit angehören. Es muss erkennbar sein, ob jemand ein Thema wirklich durchdrungen und sich kritisch damit auseinandergesetzt hat. Und wir werden sicherlich noch mehr Wert auf Kompetenzen legen, die wir unseren Studierenden zusätzlich zum Fachwissen mitgeben möchten, um sie für die zukünftigen Herausforderungen zu wappnen.
Welche wären das beispielsweise?
Die Fähigkeit zum lebenslangen Lernen, welche essenziell ist, wie die rasanten Veränderungen der letzten Jahre gezeigt haben. Auch das kritische Denken und die Reflexionsfähigkeit können wir gerade im Zusammenspiel mit gKI fördern. Was uns Menschen gegenüber künstlicher Intelligenz auszeichnet ist emotionale Intelligenz, also die Fähigkeit, Gefühle und Bedürfnisse anderer Menschen zu erkennen, zu verstehen und angemessen darauf zu reagieren.