München/Brüssel – Vor dem letzten EU-Gipfel in diesem Jahr ist der Streit über die Asylpolitik in Europa neu entbrannt. Der amtierende EU-Ratspräsident Donald Tusk erklärte den europäischen Flüchtlingskurs in einem Entwurf zur Migrationspolitik für gescheitert. Die Umverteilung der Asylsuchenden zwischen den EU-Mitgliedsstaaten mithilfe fixer Quoten sei „unwirksam“ und „höchst spaltend“, schrieb Tusk. Lösungen gegen illegale Migration könnten nur die Einzelstaaten finden, nicht aber die Gemeinschaft. Die osteuropäischen Staaten Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn unterstützten Tusks These. Scharfe Kritik kam von der EU-Kommission und Mitgliedsstaaten wie Deutschland, Italien und Schweden, die viele Asylbewerber aufgenommen haben.
Tusks Entwurf „missachtet alle Arbeit, die wir in den vergangenen Jahren zusammen geleistet haben“, sagte EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos. EVP-Fraktionschef und CSU-Vize Manfred Weber sagte unserer Zeitung: „Ohne europäische Solidarität in der Flüchtlingspolitik werden die EU-Staaten keine dauerhafte Begrenzung der Zuwanderung erreichen.“ Die Mechanismen dafür müssten aber verbessert werden, indem der Schutz der Außengrenzen verschärft und die finanzielle Beteiligungen verbindlich geregelt würden. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer erklärte, „wer die Zuwanderung nach Europa alleine auf die Einzelstaaten abschiebt, hat aus den letzten Jahren nichts gelernt“.
Der Zwist belastet die Stimmung beim EU-Gipfel am heutigen Donnerstag und Freitag in Brüssel, bei dem Fortschritte beim Brexit gewürdigt werden sollten. Zudem wird beraten, wie eine Reform des Asylsystems aussehen könnte und wie Flüchtlinge in Krisenfällen verteilt werden. Bis zum Sommer sollen die Dublin-Regelungen aktualisiert werden. Polen, Tschechien und Ungarn weigern sich bis heute, den EU-Beschluss vom September 2015 zur Umverteilung von Migranten umzusetzen. dor/mik/dpa