Berlin – Mit Demonstrationen und kritischen Worten der Politik ist der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in Berlin empfangen worden. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier rügte bei einem Staatsbankett am Freitagabend im Schloss Bellevue schwerwiegende Missstände in der Türkei und forderte eine Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit. Erdogan wies das erkennbar wütend zurück.
Steinmeier beklagte den starken Druck auf die Zivilgesellschaft und die Verfolgung und Inhaftierung von Regierungskritikern in der Türkei. „Ich hoffe, Herr Präsident, Sie verstehen, dass wir darüber nicht zur Tagesordnung übergehen“, sagte er zu seinem Staatsgast. „Heute suchen beunruhigend viele aus der Türkei bei uns Zuflucht vor wachsendem Druck auf die Zivilgesellschaft“, sagte Steinmeier. „Ich sorge mich als Präsident dieses Landes um deutsche Staatsangehörige, die aus politischen Gründen in der Türkei inhaftiert sind.“ Ebenso gelte seine Sorge den „türkischen Journalisten, Gewerkschaftern, Juristen, Intellektuellen und Politikern, die sich noch in Haft befinden“.
Erdogan wich in seiner Rede am Freitagabend vom Manuskript ab. Er forderte mehr Respekt für die türkische Justiz und damit für das Auslieferungsersuchen für den in der Türkei verurteilten Journalisten Can Dündar. Erdogan kritisierte die deutsche Seite scharf. „Hunderte, Tausende“ von Terroristen liefen in Deutschland frei herum. „Sollen wir darüber etwa nicht sprechen? Sollen wir dazu nichts sagen?“, fragte er.
Am Nachmittag versammelten sich nach Polizeiangaben mehr als 1000 Kritiker Erdogans auf dem Potsdamer Platz zu einer Demonstration. Wegen Sicherheitsbedenken untersagte die Stadt Köln am Freitag kurzfristig eine für Samstag geplante Großveranstaltung von Erdogan-Anhängern zur Eröffnung einer Moschee. Nun sollen nur geladene Gäste in die Ditib-Zentralmoschee kommen dürfen.