Berlin/Augsburg – Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, hat vor einer schleichenden Gewöhnung an Rechtspopulismus, Rechtsextremismus und Antisemitismus gewarnt. „Die Verbrechen der Nationalsozialisten und die Lehren, die daraus gezogen wurden, müssen wieder stärker ins Bewusstsein rücken“, erklärte Schuster am Sonntag in Berlin bei einer Gedenkfeier zum Volkstrauertag auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee.
Unter dem Eindruck des Anschlags auf die Synagoge in Halle Anfang Oktober und des Wahlerfolges der AfD in Thüringen frage er sich, ob die Aufarbeitung der deutschen Vergangenheit tatsächlich geglückt sei: „Ich habe daran meine Zweifel“, betonte Schuster. So sei es nicht hinnehmbar, dass weniger als die Hälfte der 14- bis 16-Jährigen wisse, „was Auschwitz-Birkenau war“, „dass es eine Fraktion im Bundestag gibt, deren Vorsitzender die NS-Zeit als ‘Vogelschiss’ in der deutschen Geschichte bezeichnet“, und dass „jeden Monat im Schnitt 100-mal Flüchtlinge angegriffen werden“.
Die „große Gefahr der Gewöhnung“ bestehe darin, dass sich Veränderungen in der Gesellschaft schleichend vollzögen: „Wir sind daran gewöhnt, dass die AfD bei jeder Wahl die Fünf-Prozent-Hürde schafft“ und „dass es regelmäßig Neonazi-Konzerte gibt“.