Frankfurt – Nach der Zinserhöhung in den USA wächst der Druck auf die Europäische Zentralbank (EZB). In Europa verharrt der Leitzins weiter bei Null, während die US-Notenbank Fed gestern zum zweiten Mal in diesem Jahr die Zinsen nach oben schraubte. Nun mehren sich aber die Zeichen, dass die EZB bei ihrer Sitzung Anfang Juni den Zins ebenfalls anhebt, um die hohe Inflation zu bekämpfen.
Ein Grund für den Kurswechsel: Wie erwartet hob die Fed die Zinsen um 0,5 Prozentpunkte auf 0,75 bis 1,0 Prozent an, dies ist der größte Zinsschritt seit 22 Jahren. Zudem stellte die Notenbank weitere starke Erhöhungen in Aussicht. Für Investoren werden damit US-Staatsanleihen attraktiver. Derzeit erhalten sie bei US-Papieren mit zehn Jahren Laufzeit rund drei Prozent Rendite, bei deutschen Staatsanleihen ist es nur ein Prozent. „Der Drahtseilakt zwischen Inflationsbekämpfung und der Konjunkturstabilisierung in den USA ist wegweisend für die internationalen Finanzmärkte“, sagte Marktexperte Andreas Lipkow von der Comdirect.
Wegen der hohen Zinsdifferenz hat der Euro im Vergleich zum US-Dollar zudem massiv an Wert verloren. Zuletzt kostete ein Euro nur noch 1,05 Dollar – so wenig wie seit etwa fünf Jahren nicht. Für Europäer macht das nicht nur Urlaubsreisen in die USA teurer. Auch die Käufe von Rohstoffen wie Öl, Aluminium oder Stahl verteuern sich, weil diese in Dollar gehandelt werden. Das heizt die Inflation, die in der Eurozone ohnehin schon bei über sieben Prozent liegt, weiter an.
Nun wird wohl auch die EZB an der Zinsschraube drehen. Zuletzt hatte Isabel Schnabel, die im Direktorium der Zentralbank sitzt, angedeutet, dass es im Juli auch in Europa eine Zinserhöhung geben könnte. „Jetzt reicht es nicht mehr zu reden, wir müssen handeln“, sagte sie dem „Handelsblatt“. Zuvor sollten die Nettozukäufe von Anleihen eingestellt werden, voraussichtlich Ende Juni.
Die Zinserhöhung wirft auch in Europa längst ihre Schatten voraus. Wer eine Immobilie finanzieren will, zahlt für einen 10-jährigen Baukredit bereits 2,8 Prozent Zinsen. Zu Jahresbeginn war es nur ein Prozent.