München – Die Ukraine hält einen Vermittlungsversuch von Ex-Kanzlerin Angela Merkel für möglich, um den russischen Angriffskrieg zu stoppen. „Wenn sie das Gefühl haben sollte, uns helfen zu können, diesen teuflischen Krieg zu beenden, ist sie natürlich herzlich willkommen“, sagte Botschafter Andrij Melnyk unserer Zeitung. Er erinnerte an Merkels „langes, sehr vertrauliches Verhältnis zu Putin“.
Melnyk forderte ein höheres Tempo bei der EU-Aufnahme der Ukraine. „Ich lese, dass über 60 Prozent der Deutschen für eine EU-Vollmitgliedschaft der Ukraine sind. Genau diese Mehrheit wünsche ich mir auch im politischen Berlin, bei der Ampel und bei CDU/CSU.“ Aus der Bundespolitik kommt Skepsis. „Eine kurzfristige EU-Mitgliedschaft ist sicherlich nicht absehbar. Da reden wir über Prozesse, die Jahrzehnte dauern können“, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Dazu seien in einem Land auch grundlegende Strukturveränderungen notwendig.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte bei einem Blitzbesuch in Kiew, Deutschland wolle komplett ohne Energie aus Russland auskommen. „Deshalb reduzieren wir mit aller Konsequenz unsere Abhängigkeit von russischer Energie auf null – und zwar für immer.“ Baerbock besuchte auch die Vororte Butscha und Irpin. Sie zeigte sich erschüttert angesichts der Morde an Zivilisten. In Kiew eröffnete sie die deutsche Botschaft wieder, die im Februar geschlossen worden war. Ihr Besuch in der Ukraine ist der erste eines Mitglieds der Bundesregierung seit Kriegsbeginn am 24. Februar. Melnyk forderte erneut Kanzler Scholz zu einer Reise auf. cd/kr